Die Frau in Odysseus

■ Instrumente zu zentralen Figuren geordnet: John Neumeier choreografiert mit dem Hamburg Ballett zentrale Motive der Irrfahrten des Odysseus

Troja, nach dem Krieg. Odysseus und seine Männer sind frei, wollen endlich in ihre Heimatstadt Ithaka zurücksegeln. Doch schon an der nächsten Insel halten sie an: Sie überfallen die Einwohner, morden und plündern. Warum? John Neumeier hat lange überlegt und kam zu folgendem Schluß: „Ich kann nicht zehn Jahre im Krieg leben und von einem Tag zum anderen normal werden.“ Diese Erkenntnis wurde zum wichtigsten Thema für die choreografische Fassung der Odyssee, die am Sonntag in der Oper Premiere hat. Odysseus muß in dieser Version des Epos die weiblichen Teile in sich selbst wiederentdecken, bevor er in den Schoß der Anima in Gestalt seiner Ehefrau Penelope zurückkehren kann.

Die Idee, das Epos zu vertanzen, kam nicht von Neumeier selbst. Vor drei Jahren trat der künstlerische Leiter der Megaron-Halle in Athen, Klaus-Helmut Drese, an ihn heran. Er wollte den Stoff des griechischen Epos im Ursprungsland uraufgeführt sehen. Neumeier erinnert sich augenzwinkernd an einen ersten Gedanken: „Ich kann keinen Film mit Kirk Douglas aus den 50er Jahren aus dem Stoff machen.“ Statt Pomp an Hunderten Spielorten auf der Bühne darzustellen, verlagert er das Geschehen ins Innere der Figuren: Menschen werden zu Göttern oder Dämonen, begleitet von einer aussagekräftigen Musik, die es zu komponieren galt.

Über hundert Kassetten mit Musikbeispielen erhielt der Choreograf, und alle – so betont er – alle waren gut. Er entschied sich für den Griechen George Couroupos, der sich im letzten Jahr beim Festival in Avignon mit seiner Musik zu dem Stück Andromache einen Namen gemacht hatte. Couroupos komponierte nun ein Concerto Grosso für Orchester, Tonband und Sänger, in dem er ausgewählten Figuren Instrumente zuordnet: Die Trompete kündigt leitmotivisch den Odysseus an, die Bratsche gehört der Penelope. Für das Atmosphärische sorgt wieder Yannis Kokkos, der schon das Bühnenbild zur Undine entwarf.

Die Irrfahrt des Odysseus ist eine Geschichte der Verfehlungen. Die in immer neuer Gestalt auftretende Göttin Pallas Athene beschützt die Reisenden, doch der Meeresgott Poseidon läßt als Gegenspieler das Schiff immer wieder zerschellen. Während Penelope zu Hause auf den Kriegsheimkehrer wartet, umringt von sie bedrängenden Saufbolden, die um ihre Hand anhalten und den Hof nahe an den Ruin treiben, bestehen der Held und seine Männer unzählige Abenteuer. Neumeier hat einige davon ausgewählt: den Kampf mit dem einäugigen Polyphem, die Begegnung mit den Frauen Nausikaa, Kalypso und der rätselhaften Circe.

Gabriele Wittmann

Premiere: Sonntag, 17., 19 Uhr; außerdem Di, 19. und Mi, 20. Dezember, Hamburg Oper, jeweils 19.30 Uhr