Selbstverbrennung

■ Angst vor Abschiebung oder Dealern: Kurde in Lebensgefahr

Hamburg (taz) – Vor lauter Angst, in die Türkei abgeschoben zu werden, übergoß sich am Mittwoch abend vor dem Hamburger Hauptbahnhof der Kurde Necmettin T. mit Benzin und zündete sich an. Polizisten erstickten die Flammen, konnten jedoch schwerste Verbrennungen nicht mehr verhindern. Der 19jährige Kurde liegt jetzt in einer Spezialklinik für Brandverletzungen in Hamburg- Boberg. Da achtzig Prozent der Haut Verbrennungen dritten Grades aufweisen, geben ihm die Spezialisten kaum Überlebenschancen.

Necmettin T. war 1993 aus Kurdistan nach Deutschland geflüchtet und hatte in Hamburg politisches Asyl beantragt. Er durchlief sämtliche Stationen eines politischen Flüchtlings. Im Mai dieses Jahres lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seinen Antrag als unbegründet ab. Bei der Anhörung in der Hamburger Ausländerbehörde im November habe er, so Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal, seine Ausreisebereitschaft signalisiert. „Er sagte, er sei bereit, freiwillig zum Flughafen zu kommen. Aufgrund dieser Angaben haben wir darauf verzichtet, ihn in Abschiebehaft zu nehmen. Das wäre in diesem Fall vielleicht besser gewesen.“ Gegenüber einem Freund hatte Necmettin T. dagegen angekündigt, auf keinen Fall in die Türkei zurückzukehren, eher würde er sich umbringen. Die Selbstverbrennung fand wenige Stunden vor dem geplanten Abflug nach Ankara statt.

Ob allein die Angst vor politischer Verfolgung oder eventuell auch geschäftliche Gründe eine Rolle spielten, vermag die Polizei nach dem derzeitigen Ermittlungsstand nicht zu sagen. „Er hatte gegenüber Freunden auch angegeben, daß er in der Türkei – aber auch hier – Feinde hat“, so Polizeisprecher Wolfgang Ketels zur taz. Der 19jährige war vor kurzem zu einer Jugendhaftstrafe von 14 Monaten wegen Heroin-Dealerei verurteilt worden. Eine weitere Anklage ist anhängig gewesen. Smekal: „Das ging da nicht um ein paar Gramm.“ Aufgrund dieser Verstrickungen in die Dealerszene hatte Necmettin T. auch keine Chance mehr, durch einen Asylfolgeantrag oder eine Bürgerschaftspetition eine Duldung durchzusetzen. Smekal: „Im Fall eines BTM- Verstoßes wäre auf jeden Fall die Ausreiseverpflichtung geblieben und eine Abschiebung erfolgt.“ Kai von Appen