Die Magie des Denkens

■ Arthur Rimbauds Werk zweisprachig im Literaturhaus

Er war der unversöhnliche Engel des Unbekannten in vollkommen verhärteter Bürgerszeit: Arthur Rimbaud (1854-1891), dichtender Vorläufer vieler Erscheinungen moderner Literatur und nicht mehr dichtender „Aussteiger“, der schon 20jährig zu schreiben aufhörte und als Waffenhändler durch die Sahara streifte. Kurz zuvor hatte er sein Credo verfaßt, Eine Zeit in der Hölle, die Absage an alles Geistige.

„Dieser Text ist ein erstaunlich heftiger gedanklicher Spaziergang“, meint der Schauspieler Manfred Andrae, der mit Thomas S. Ott dieses Dichtwerk heute Abend in einer szenischen Lesung im Literaturhaus zum Leben bringt. „Die Entgrenzungsaspekte, die sich hier finden, zum Beispiel, haben schon sehr viel mit uns heute zu tun. Die Forderung, daß der Dichter ein Sehender sein muß, der eine Ahnung haben sollte von dem, was möglich wäre. Mit großer Ungeduld reißt Rimbaud dabei die einzelnen Begriffe und Ideen an und auf und läßt sie dann wieder fallen, weil sie keine Perspektive eröffnen. Und letztlich kommt er dann mit erstaunlicher Einfachheit dazu, anzuerkennen, daß das Leben an sich eben Widerspruch ist.“

Der szenische Abend wurde für das Kontrastprogramm zu den Salzburger Festspielen konzipiert. „Dort hatten wir einen riesengroßen Kellerraum, in dem sich die deutsche und die französische Seite räumlich trennen ließ. Das Publikum auf den Stühlen konnte sich entscheiden, ob es eher der einen oder der anderen Sprache zuhören wollte.“ Im Literaturhaus stehen die Sprachen nebeneinander. „Wir spielen den Text nicht, dafür ist er ungeeignet. Doch wir arbeiten die Musik heraus, den Rhythmus“, erklärt der in Paris lebende Andrae, der den französischen Part gibt.

Ein spannender Abend, denn Ausdruckskraft haben Ott und Andrae mehr als genug für den jungen Bilderstürmer, der sich nicht nur vom Alexandriner verabschiedete, sondern auch von allen bürgerlichen Konventionen.

Thomas Plaichinger