Die Freiheit der Außenseiter

■ Der „grand old man“ vom Prenzlauer Berg hat viel zu erzählen

„Der rotglühende Wüterich, der das letzte Hemd sich zerreißt“, so hat er sich einmal, in den 70er Jahren, selbst beschrieben. Nun, im Alter von 65 Jahren, hat er den konzilianten Charme desjenigen, der trotz ewigem Aussitzen im „Ghetto DDR“ lebendig blieb. Adolf Endler, langjähriger DDR-Patriot im Widerstand, lädt zur Ent-Nostalgisierung der „Prenzlauer-Berg-Connection“. Daß Geschichte gewordene Zeit ihr eigener und wohl auch ihr unverdrossenster Lügner ist, wissen selbst Nostalgiker... Auch, wenn es um die widerständigen Dichter vom Prenzlauer Berg geht, stimmt es: Ach ja, damals am Prenzlauer Berg, als es noch das subversive Gemeinschaftgefühl in Wohnungslesungen auf morschen Dielen bei alles übertönender New-Wave-Musik gab. Aber nix war mit Gemeinschaftsgefühl – die Dichter lebten mit einer Wanze in jedem Traum. Trotzdem, so Endler, gab es eine „Haltung“, die für den Stadtteil der Zuflucht kennzeichnend war: die Prenzlauer-Berg-Haltung, die keiner für sich in beanspruchen konnte, der es anstrebte, Teilnehmer der offiziellen Kultur zu sein.

Adolf Endler ist zweifellos eine der schillerndsten Gestalten, die die DDR-Literatur hinter ihrem eigenen Rücken hervorgebracht hat. In der Nähe von Düsseldorf geboren, war er einer der nicht wenigen Intellektuellen, die 1955 ihren Wohnsitz von der Bundesrepublik in die sowjetische Besatzungszone verlegten. Endler ging durch die berühmt-berüchtigte Schriftstellerschule des Leipziger Johannes R. Becher Instituts, und 1979 war es dann soweit: Er wurde aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen. Erst nach der Wende wurde ihm deutlich, daß nicht die staatliche Steuerung dieser Einrichtung für seinen Ausschluß verantwortlich war, sondern die „oppositionelle Gegengruppierung“ um Hermann Kant. Noch 1990 bekundete Kant – schier unglaublich –, daß sich erst mit dem Ausschluß Endlers und anderer Autoren „Demokratieverständnis, kritisches Bewußtsein und Meinungsvielfalt im Verband ausprägten“ – ein Kommentar erübrigt sich da.

Mehrere Jahre lebte Endler Anfang der 80er Jahre am Prenzlauer Berg. Inmitten der jugendlichen Dichter war er ein Provokateur zwischen den Generationen, umtriebig in der Szene und bekannt mit jedem, besonders aber mit dem mehr und mehr dahinsiechenden Dichter Erich Arndt, „einem Greis, dem die Herzen im Kiez gewiß sehr viel inniger zugeneigt gewesen sind als einem gewissen Sascha“, wie es in der Vorbemerkung zu seinem 1994 erschienenen Buch Tarzan am Prenzlauer Berg. Sudelblätter 1981-83 heißt. Dieser Band beinhaltet den ganzen aufgeschriebenen „Klumpatsch“, den Endler nach „eigenzensierter“ Durchsicht veröffentlichte. Zweifellos kein Buch für filigrane Stilistiker. Es beginnt und endet mitten im Leben des „Eddi Endler“ und jeder aus der Szene kommt drin vor.

Als Christa Wolf einmal meinte: „Daß du noch nicht abgehauen bist, kapiere wer will! Aber es wird ja gemunkelt, daß du Masochist bist...“, antwortete Endler: „Ich will von dem Film hier noch etwas mitkriegen...Das ist eigentlich alles.“

Stefan Pröhl Buchhandlung Osterstraße, Osterstr. 158, 19.30 Uhr