Liberale lehnen Tudjmans Offerte ab

■ Oppositionsbündnis in Kroatien geschwächt. Familie Tudjman führt Prozeß gegen Satireblatt wegen „Beleidigung“

Split (taz) – Der kroatische Präsident Franjo Tudjman scheint weiterhin nach einer Lösung für die innen- und außenpolitsche Krise seiner Regierung suchen zu müssen. Es gelang ihm nämlich nicht, die Sozialliberale Partei Kroatiens (HSLS) – der in manchen Regionen stärksten Oppositionspartei – zu einer Koalition mit seiner regierenden Kroatisch Demokratischen Bewegung (HDZ) zu überreden. Die Sozialliberalen erklärten gestern in Zagreb, sie würden nicht in die Koalition eintreten. Im Gegenteil: Ihr Vorsitzender, Vlado Gotovać, will bei den Präsidentschaftswahlen 1997 gegen Tudjman antreten.

Gotovać, Herausgeber einer Kultzeitschrift und bislang Intimfeind Tudjmans, hatte wegen der Verhandlungen mit der Regierungspartei HDZ den Protest der Parteibasis hervorgerufen. Der Schwenk hin zu Koalitionsverhandlungen war nicht verstanden worden. Das bisherige Oppositionsbündnis aus Liberalen, den Exkommunisten, der Bauernpartei scheint nun zerstritten und dürfte den Niedergang der HDZ nicht für sich nutzen können.

Mit einer Koalition hätten die Sozialliberalen Tudjman Gelegenheit gegeben, die Krise in der Hauptstadt Zagreb ohne Gesichtsverlust zu lösen. Nachdem das Oppositionsbündnis dort 1995 fast zwei Drittel der Stimmen gewonnen hatte, hatte Tudjman vier Personalvorschläge für das Bürgermeisteramt aus den Reihen der Opposition abgelehnt. Obwohl seine Politik durch die Verfassung abgesichert ist, stürzte er damit das Land in eine Verfassungskrise und geriet international in die Kritik. Tudjman wollte sich nun als demokratischer Präsident darstellen und die EU und die USA beruhigen.

Doch schon heute wird sich die Kritik an Tudjman im In- und Ausland wieder verstärken. Denn aufgrund eines Ende April erlassenen Gesetzes, das die „Beleidigung“ des Präsidenten unter Strafe stellt, muß sich der Chefredakteur der satirischen Wochenzeitung „Feral Tribune“, Viktor Ivanćić, in Zagreb vor Gericht verantworten. Die Zeitschrift hatte in dem Artikel „Die Knochen im Mixer“ das Ansinnen Tudjmans kritisiert, auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Jasenovać auch die Gebeine der im II. Weltkrieg Ustascha-Soldaten zu bestatten. Da sich zudem Tudjmans Tochter Nevenka wegen der Kritik an ihren Geschäftspraktiken beleidigt fühlt, will die Familie Tudjman eine Million Mark Schadensersatz von der Zeitung erstreiten. Erich Rathfelder