Aus besonderen Gründen wird zugeraten

■ Ein Benefizkonzert für die Comicbibliothek „Renate“. Wegen einer schändlichen Mieterhöhung. Und mit Teilen von Bert'z Rache, in neuen Kombinationen allerdings

Humor ist, wenn man trotzdem lacht, hat der begnadete Dichter Otto Julius Bierbaum einst geschrieben, obwohl er als 1910 Verstorbener die Comicbibliothek „Renate“ nicht kennen konnte. Die Künstlergruppe „Renate“ ist ein genuines Wendeprodukt. Sie wählte diesen hausbackenen Namen, um mit ihrem Produkt an „Brigitte“, „Petra“ und „Tina“ vorbeizuziehen. Das ist ihr nicht ganz gelungen, weswegen sie sich fortan ganz aufs Zeichnen, Comic sammeln und verleihen verlegte.

Die Comicbibliothek „Bei Renate“ wurde 1992 gegründet, ihre Mitgliedschaftsmodalitäten sind gemütlich: Bei Überschreitung der einwöchigen Leihfrist muß ein Comic gespendet werden. So weit, so schön, doch jetzt zum Ernst des Lebens, der sich vor kurzem wieder einmal bei „Renate“ meldete. „Renate“ muß nämlich ganz ohne öffentliche Fördermittel auskommen, so daß Bierbaums Motto für die gemütliche Schmuddelinsel in der Tucholskystraße 32 immens an Wichtigkeit gewinnt.

Schon immer mal wollte ich vorschlagen, auf dieser Seite eine Rubrik „Ich rate ab von ...“ einzurichten. Eröffnen würde ich diese Rubrik mit einer freundschaftlichen Grußadresse, die ich an die Besitzer des Hauses Tucholskystraße 32 richten würde. Ich würde denselben dringend davon abraten, „Renates“ Miete zu erhöhen (wie leider geschehen), weil Mieterhöhung Pickel macht und Paradiese zerstört, in denen es jeden Tag sieben Zentimeter Bilder zum Mitnehmen gibt. Weil die Rubrik „Ich rate ab“ jedoch noch nicht erfunden ist, gibt es zunächst einmal ein Benefizkonzert zugunsten der Comicbibliothek „Renate“.

Zu anderen Zeiten hätte ich jetzt mit einem „Ich rate ab von einem Besuch aller Konzerte, wo Bert'z Rache mitspielt“ fortgesetzt, doch Not erfordert Pragmatismus. Außerdem spielt Bert'z Rache auch gar nicht richtig mit. Die ehrenamtlichen Betreiber von „Renate“ haben ihre Ohren dem Trend nicht verschlossen und einen „Endausscheid des deutschen Schlagers“ ausgerufen, bei dem Prominente mit ihrer Anwesenheit erfreuen werden.

Zu hören sind Conny & Max (Conny ist ein Teil der vermaledeiten Bert'z Rache, Max bildet zusammen mit Conny die Band ÖL), die Maffay-Familie von Michael Fieling alias Pastor Leumund und Don Angelo, ein flotter Halbitaliener. Die Muttis (kein Scherz), eine Frauenband, die mit der deutschen Fassung von Gloria Gaynors „I will survive“ über die Grenzen Berlins hinaus Berühmtheit erlangt haben, brillieren durch optische Qualitäten. Cindy & P-Bert (ja richtig, von Bert'z Rache) werden vermutlich „Spaniens Gitarren“ schmettern, und der Wahre Elvis setzt sich produktiv und stimmenidentisch mit dem Werk des Mannes aus Memphis auseinander.

Herr „Auge“ Lorenz, ein langer Dürrer, der schon vor Jahren nahezu weißes Haar trug, und Marbert (Sie ahnen es — von Bert'z Rache) moderieren. Ted, der Ted, nimmt die Urteile des Publikums entgegen, Dieter Thomas Heck wird noch neidisch werden. Unterstützt wird der Grand Prix von Orange Agenten, Fips e. V. und Endeffekt e. V. und dem KGB. Es gibt Eins-a-Bowle! Vorhang auf für Stars von nebenan, die unvergessene Titel interpretieren. Anke Westphal

Soli für „Renate“ – der große Endausscheid der Schlagermusik, heute, 21 Uhr im Milchhof, Anklamer Straße 28/29