■ Nachschlag
: Der August tanzt hinter Schleiern: "Solo Version, nr. 3" im Podewil

Einiges ist los im Podewil, dessen Räume zur Zeit völlig vom „Tanz im August“ okkupiert sind. Heftig diskutiert wurde am vergangenen Mittwoch beim öffentlichen Kritikergespräch die katastrophale Produktion von Cesc Gelabert (siehe auch taz vom 15.8.), und man mußte erfahren, daß wir auch in Zukunft vor dem spanischen Choreographen nicht verschont bleiben werden: Schon im kommenden Oktober wird er die Rekonstruktion einer Arbeit von Gerhard Bohner in der Akademie der Künste vorstellen.

Sehr erfreulich dagegen ist die Nachricht, daß Xavier Le Roys ganz hervorragende Arbeit „Blut et Boredom“, uraufgeführt am vergangenen Sonntag im Podewil, im Herbst am Theater am Halleschen Ufer eine Wiederaufnahme erleben wird. Präsentiert im Rahmen des „Viererpacks“ (vier Soli oder Duette an einem Abend) waren nicht Amanda Millers Weltklassetänzer das herausragende Ereignis, sondern die Choreographie des Off-Tanzkünstlers Le Roy, der, wie er sagt, eigentlich nur wegen seiner Freundin in Berlin lebt. Mit seiner makaber-traurigen Komik erinnert der Franzose ein wenig an Karl Valentin, nur ist er nicht so sehr mit den nicht zu bewältigenden Gegenständen der äußeren Welt beschäftigt, sondern mit seinem eigenen Körper. Einzelne Körperteile werden isoliert und verfremdet; sicher gab es noch nie ein (spielerisch) so radikal vom Rest des Körpers abgelöstes Schienbein zu begutachten. Noch verstörender als in seiner letzten Arbeit stößt Le Roy (hier mit seiner Partnerin Agathe Pfauvadel) mit seinen Bildern der Verstümmelung in Grenzbereiche des Körperlichen vor.

Die Bewegung im Raum thematisiert der bildende Künstler und Choreograph Erik Kouwenhoven wie schon in seinen „The Solo Versions, nr. 1 + 2“ in seiner neuen „nr. 3“. Die Zuschauer sitzen nicht mehr wie bei den vorangegangenen Soli mit auf der Bühne, sondern sind – ganz traditionell – in den Publikumssaal verbannt. Nicht zuletzt deswegen ist dieses dritte Solo wohl das langweiligste der Trilogie. Denn während der Betrachter in den ersten beiden „Solo Versions“ selbst ein (inszenierter) Teil von Kouwenhovens faszinierendem Spiel mit dem Raum war, kommt nun alles auf den Tänzer an – und der hat außer technischer Präzision und einer geballten Ladung enervierender Eitelkeit nicht viel zu bieten.

Hinter weißen Gazeschleiern den Blicken der Zuschauer fast entzogen, schreitet er die Bühne ab und hinterläßt dabei weder in unserer Phantasie noch auf dem Sand des Bühnenbodens irgendwelche Spuren. Schade, daß Kouwenhoven neben seiner Raumgestaltung Tänzer nicht als Kontrapunkt, sondern nur als leere Präzisionsmaschinen und abstrakte Bildelemente zuläßt – sonst hätte „The Solo Version, nr. 3“ richtig gut werden können. Michaela Schlagenwerth

„The Solo Version, nr. 3“: heute, 20.30 Uhr, Podewil,

Klosterstr. 68–70