Stahlbeihilfen versickert: Keiner will Lippendorf

■ In Sachsens größter Investitionsruine steht die Belegschaft auf den Barrikaden

Dresden (taz) – In Lippendorf in der Nähe des Leipziger Kohlereviers stehen Barrikaden. Seit Wochen hält die Belegschaft des Pleiteunternehmens Werkstoff Union Lippendorf ihre Fabrik besetzt. Keine Schraube, keine Anlage soll die Hallen verlassen. Noch hat der Betriebsrat die Hoffnung auf einen neuen Anfang für dieses im März in Gesamtvollstreckung gegangene Stahlwerk nicht aufgegeben: Ein britisches und ein amerikanisches Unternehmen werden jetzt als potentielle Investoren gehandelt.

Hoffnung ohne Boden, denn ein Investor ist nicht in Sicht. Das sächsische Wirtschaftsministerium will nun den 170 Stahlkochern helfen. Gemeinsam mit den bei der Lippendorf-Affäre federführenden Banken sollen die Folgen für die Belegschaft „abgefedert“ werden. Andere Erwartungen mußte der Sprecher des sächsischen Wirtschaftsministers, Armin Reck, gestern dämpfen: „Es hat mit beiden Interessenten Gespräche in unserem Haus gegeben.“ Es hätten aber nur „Absichtserklärungen“ vorgelegen, keine Konzepte.

Wirtschaftsminister Kajo Schommer hat allen Grund, vorsichtig zu sein. In Lippendorf wurden schon 225 Millionen Steuergelder in den Sand gesetzt. Was bleibt von einer der größten sächsischen Investitionen, ist die größte sächsische Ruine und ein Betrugsskandal. Den überblickt auch die seit Mai gegen die Firmenleitung ermittelnde Leipziger Staatsanwaltschaft noch nicht.

Dabei sollte im abgewirtschafteten Kohlerevier eines der modernsten Metallurgiewerke Europas entstehen. Die an den Schweizer Kaufmann Gerhard Fischer und seine Firma Intercept ausgezahlten Millionen sind auch ein Fall für die Wettbewerbshüter der europäischen Kommission. Dieses Stahlwerk im Leipziger Südraum hätte unter dem EU-Stahlkodex gar nicht gefördert werden dürfen. Fischer aber hatte in zweijährigen Verhandlungen bis 1993 immer wieder vorgegeben, Nichteisenmetalle und deren Legierungen produzieren zu wollen.

1995 erschien im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft unter dem Schlagwort „Staatliche Beihilfen“ eine Mitteilung, daß es sich bei der Werkstoff-Union Lippendorf um ein Unternehmen handle, das unter den EU-Stahlkodex falle. Das bedeudet ein weitgehendes Verbot für Beihilfen. Der EU- Text war auf Initiative einer Konkurrenzfirma zustande gekommen – und die hatte ihre heißen Informationen nicht aus fremden Schreibtischen, sondern aus der Werkstoff-Union-Eigenwerbung. Detlef Krell