„Für die Entsorgungsfrage die Verantwortung mittragen“

■ Interview mit Peter Eichenseher, Landtagsabgeordneter der Bündnisgrünen in NRW. Er will das Atommüllager in Ahaus nutzen

Peter Eichenseher hat vor einiger Zeit Schlagzeilen gemacht, weil er für die Einlagerung von Atommüll in Ahaus eingetreten ist. Dort begann am Dienstag die Erörterung für die geplante Erweiterung des Brennelementelagers Ahaus.

taz: Sie haben sich für die Lagerung von Atommüll im BEZ Ahaus ausgesprochen. Ist damit die AKW-kritische Haltung der Grünen gekippt?

Peter Eichenseher: Eindeutig nein! Ausgangspunkt meiner Überlegungen war die Frage, was passiert mit den abgebrannten Brennelementen aus dem stillgelegten Reaktor Würgassen. Ich habe mich nach der Abwägung verschiedener Optionen für die Lagerung dieses Atommülls in Ahaus ausgesprochen. So ist die Lagerung des Atommülls im AKW Würgassen, wie sie beispielsweise von Greenpeace vorgeschlagen wurde, wegen der besonderen Bauweise des Reaktors nicht zu verantworten. Ich unterscheide zwischen laufenden und stillgelegten Atomanlagen. Atommüll aus den laufenden Anlagen soll an den Standorten gelagert werden. Denn wir wollen der Atomindustrie keine Rechtfertigung eines Weiterbetriebs liefern. Der Reaktor in Würgassen aber ist stillgelegt, und dazu muß der Atommüll irgendwo hin. Wir haben immer gesagt, daß die Atomindustrie ein dickes Ende hat, nämlich die ungelöste Entsorgungsfrage. Dafür müssen wir jetzt als AKW-GegnerInnen die Verantwortung mittragen.

Der Atommüll wird mittlerweile in La Hague wiederaufbereitet, und die BI Kein Atommüll in Ahaus e.V. wirft Ihnen vor, daß ein Rücktransport der Brennelemente eine Vielzahl von Castor- Transporten mit entsprechenden Gefährdungen bedeuten würde.

Mittlerweile ist die schlimmste Option, die Wiederaufbereitung der Brennelemente in La Hague, umgesetzt worden. Ich plädiere jetzt nicht für den Rücktransport des Atommülls, sondern hatte mich dafür eingesetzt, daß sie gar nicht erst dort hingelangen. Die Wiederaufbereitung des Atommülls in La Hague ist wegen der Gefahr der Verseuchung des Atlantiks die allerschlimmste Option.

AtomkraftgegnerInnen sprechen davon, daß Ahaus zu einem gigantischen Atommüllager ausgebaut wird. Könnten diese Pläne zum Knackpunkt für die rot-grüne Koalition in NRW werden?

Wir haben als Landesregierung wenig rechtliche Möglichkeiten, weil die Genehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erteilt wird. Es wäre unsinnig, eine Bundesangelegenheit zum Knackpunkt für eine Landesregierung zu machen. Ich gehöre zu den langjährigen Klägern gegen den Reaktor Würgassen. Trotzdem darf nicht übersehen werden, daß er ohne eine rot-grüne Politik heute noch in Betrieb wäre. Wir werden weiterhin eine ausstiegsorientierte Atompolitik verfolgen und uns sowohl bei der Bundesregierung als auch bei der BfS dafür einsetzen. Dazu gehören strenge Kontrollen der Atomanlagen durch die Landesregierung. Unser Vorbild ist dabei Hessen.

Entfremden sich die Grünen von den Anti-AKW-Initiativen?

Daß meine Überlegungen heftige Diskussionen bei der Bürgerinitiative in Ahaus ausgelöst haben, kann ich verstehen. Die haben natürlich Angst, daß wir uns nicht durchsetzen können und sie dann den gesamten Atommüll abkriegen. Doch von einer grundlegenden Entfremdung kann keine Rede sein. Zwischen dem Anspruch an eine rot-grüne Regierung und deren tatsächlichen Befugnissen wird es immer eine Differenz geben. Interview: Peter Nowak