Schutz der Ehe geht vor Strafe

■ Vergewaltigung in der Ehe: „Versöhnungsklausel“ bleibt bestehen. Sexualstrafrecht weiter umstritten

Berlin (taz) – Ein Gesetz, mit dem Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt wird, läßt weiter auf sich warten. Die Koalitionsmehrheit lehnte es gestern mit 327 zu 320 Stimmen ab, eine vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagene Fassung des Gesetzentwurfes anzunehmen. Das vom Bundestag bereits im Mai verabschiedete Gesetz muß damit erneut in den Bundesrat. Dieser kann abermals Einspruch erheben – brauchte dazu allerdings eine Zweidrittelmehrheit – die in der augenblicklichen Zusammensetzung der Länderkammer kaum zustande kommen würde. Das Gesetz wird demnach mit „Versöhnungsklausel“ in Kraft treten.

Der Bundesrat hatte empfohlen, die sogenannte „Versöhnungsklausel“ aus dem Gesetz zu streichen. Die Versöhnungsklausel ermöglicht es einer Ehefrau, die Anzeige zurückzuziehen und damit das Verfahren gegen ihren Mann zu beenden. Die Koalition hatte diese Regelung bei der Abstimmung im Bundestag am 9. Mai befürwortet, um das „Fortbestehen der ehelichen Beziehung“ zu ermöglichen. Opposition, RechtsexpertInnen und Frauengruppen hatten die Klausel heftig kritisiert. Sie fordere die Männer geradezu dazu auf, Druck auf die Frau auszuüben, um einer Strafe zu entgehen. Zumal ausdrücklich festgeschrieben ist, daß der Einspruch bis zum Tag vor der Hauptverhandlung erfolgen kann.

Die Klausel trage der Dynamik von Gewaltbeziehungen keine Rechnung, in der besonders die Frau immer wieder Versöhnungsphasen durchlaufe, so die Kritik. Außerdem sei damit die entscheidende Reform der Strafrechtsparagraphen 177 bis 179 wieder rückgängig gemacht: Zwar würde zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt. Doch genau das werde durch die „Versöhnungsklausel“ wieder unterlaufen: Ehemänner bekämen Sonderrechte, die Ehe würde durch die besondere Schutzlosigkeit der Ehefrauen geschützt, meinte die bündnisgrüne Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk.

Selbst mit der Klausel hat das Gesetz einige Verbesserungen vorzuweisen: In Zukunft gelten nicht nur der erzwungene Beischlaf als Vergewaltigung, sondern alle Formen der Penetration: anal, oral, vaginal und mit Gegenständen. In diesem Fall gilt eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Karin Gabbert