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■ NachschlagDon't worry, be Hopi: Cyril Christo sprach frei im Grünen Salon

Karl Marx interessierte sich damals weitaus mehr für die Indianer als für das geknechtete Industrieproletariat Europas. In Gedichten, die er in jungen Jahren verfaßte, huldigte er den eingeborenen Nordamerikas, die schon damals einen vergnügten Egalitarismus pflegten. So jedenfalls sieht es Cyril Christo.

Cyril Christo? Richtig. Jeanne-Claude und Christo, Verhüllungs- Künstler und Träger des Bundesverdienstkreuzes, haben einen Sohn. Am Dienstag trat die Heilige Familie zum ersten Mal gemeinsam in der Öffentlichkeit auf. Auf Einladung der Fördergemeinschaft zur Gründung einer Friedensuniversität stellten Mutter und Vater in Berlin vor knapp 900 Christo-Fans ihre neuen Projekte vor. Tags darauf sprach Cyril dann im Grünen Salon der Volksbühne vor Zuhörern: „Die Weisheit der indigenen Völker bewahren“. Ein höchst verschwurbelter Vortrag, den der 36jährige Dichter und Dokumentarfilmer dankbarerweise zum Schluß in vier Worte zusammenfaßte: „Don't worry, be Hopi.“

Zwei Stunden verbreitete sich Cyril Christo darüber, daß die Menschen nicht mehr im Einklang mit der Natur lebten. Und daß sie es – zum eigenen Wohl, versteht sich – besser täten. Wider Erwarten war die erste Hälfte seiner Ausführungen ziemlich unterhaltsam: Christo jr. betätigte sich als Enthüllungs-Philologe und kramte so lange in Gedichten von Rimbaud und Baudelaire, Marx und Miller, Heine und Rilke, bis er auch dort einige Indianer-Weisheiten gefunden hatte.

Nach dieser hübsch abwegigen Übung im Wilden Denken stürzte der Abend in die Banalität ab. Cyril Christo formulierte in systematisch zusammenhanglos gehaltenen Sätzen, was eigentlich jeder weiß, der regelmäßig das neue „2001“-Merkheft durchblättert. Daß die Hopi schon vor Jahrhunderten die bemannte Raumfahrt, den Fernseher und E-Mail prophezeit hätten, zum Beispiel. Dazu gab es unterbelichtete Dias von Indianer-Festen und eine sogenannte „Meditation“ – also ein Gedicht – des Indi-Experten über einen Staudamm.

Das Schlimmste wurde gerade noch verhindert: Mitten in der Diskussion, ob die linke Seite die Herzseite sei und was man politisch so tun könne, meldeten einige Stammgäste des Grünen Salons Tanzbedarf an. Mittwochs sei hier immer Salsa-Nacht, hieß es. Da war der Vortrag zu Ende. Kolja Mensing

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