Bund macht Schluß mit sozialem Wohnungsbau

■ Bündnis 90/Die Grünen und Mieterbund befürchten drastische Mieterhöhungen

Berlin (taz) – Franziska Eichstädt-Bohlig, die wohnungsbaupolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, nahm gestern kein Blatt vor den Mund: Was Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) zwei Stunden zuvor noch als „soziale Gerechtigkeit“ und „Ende der Fehlsubventionierung“ bezeichnet hatte, nannte sie hingegen den „Anfang vom Ende des sozialen Wohnungsbaus“.

Obwohl zur Zeit nur 1,5 von 12 Millionen Berechtigten tatsächlich eine Sozialwohnung haben, lobte Töpfer sich selbst: Dank der erfolgreichen Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung seien „breite Bevölkerungsschichten gut mit Wohnraum versorgt“. Deshalb will der Minister jetzt statt „sozialem Wohnungsbau für breite Schichten“ eine „gezielte, sozial ausgerichtete Wohnraumförderung“ starten. Bekommt Töpfer die Zustimmung im Bundestag, wird das bisherige System der Sozialmieten ab 1999 schrittweise bis zum Jahr 2005 abgeschafft sein. Laut Mieterbund müssen dann über 2,4 Millionen Sozialmiete- Haushalte mit Mietererhöhungen von zwei Mark pro Quadratmeter rechnen. Im Jahr 2000 dürfen dann die Vermieter 80 Prozent, im Jahr 2003 bis zu 100 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen. Ab 2005 wären die Wohnungen sogar frei von jeglicher Mietbindung. Ausnahmen gelten ab diesem Zeitpunkt nur für Wohnungen, die noch einer alten Belegungsbindung unterliegen. Töpfer will mit dem neuen Wohngesetzbuch „Fehlentwicklungen vermeiden“. Von rund 2,2 Millionen geförderten Mietsozialwohnungen seien derzeit über 40 Prozent von gutverdienenden Mietern belegt. Nach der umstrittenen, ab Januar 1997 geltenden Wohngeldkürzung bleibt damit auch bei der Sozialmiete nur noch die Förderung im Härtefall für Schwangere, Alleinerziehende, Behinderte und Haushalte mit sehr geringem Einkommen. Finanziert werden soll diese Förderung dann aus einem Teil der Mehreinahmen aus den Mieterhöhungen. Mit einem weiteren Anteil soll der Vermieter den Mietwohnungsbau unterstützen.

An dem tatsächlichen Rückfluß der Mietdifferenz oder gar an einer Reinvestition haben die Grünen ihre Zweifel. Es gebe, so Eichstädt- Bohlig, schier unbegrenzte Möglichkeiten, die Mietdifferenz „kleinzurechnen.“ Die Bundesregierung schenke den Eigentümern, deren Wohnungen bereits mit großen Summen aus öffentlichen oder steuerlichen Fördermitteln subventioniert wurden, Mieterhöhungsmöglichkeiten, statt für eine tatsächliche Mietgerechtigkeit zu sorgen. Clemens Heidel