Der Stolz des Leguans

■ Ditterich von Euler-Donnersperg über Tiere und ahnungslose Stadtreiniger

Auftritte des menschenscheuen Wachstumskritikers Ditterich von Euler-Donnersperg sind rar. Eine der seltenen Möglichkeiten, den Schriftsteller, der seit 1992 eine private Schule für Honiggewinnung in Alt Wrietzen an der deutsch-polnischen Grenze leitet, live zu erleben, bietet seine Lesung ab 22.00 Uhr in der Wohnkultur.

taz: Herr von Euler-Donnersperg, wie hat man sich eine Lesung Ihrer Schriften vorzustellen?

Ditterich von Euler-Donnersperg: Ich trage selbstverfaßte Gedichte und Kurzerzählungen vor. Frau Mariola Brillowska, eine hochbegabte Polin, wird auch lesen. Untermalt wird diese Zusammenkunft durch atonale Gitarrenmusik von Günther Reznicek.

Das klingt ja schwer verdaubar. Wovon handeln die Gedichte von Frau Brillowska?

Von kranken Beziehungen. Verbeulte Geschlechtsleben und Ähnliches. Was Frauen eben so schreiben.

Und Sie?

Ich schreibe Tiergeschichten, Tierbilder genauer gesagt. Geschichten über Knurrhähne, Honigdachse und so andere Tiere.

Gibt es hierfür einen bestimmten Grund?

Den Tieren ist das Gehetze der Menschen egal. Davor habe ich Respekt. Der Knurrhahn schwimmt still in der Tiefsee. Der stört niemanden.

Aber gleich ganze Gedichte darüber zu verfassen...

Tiere sind beherrscht von Unbeirrbarkeit. Tiere machen, was sie machen müssen, ohne sich vom Menschen und seiner digitalen Hektik beeindrucken zu lassen, sie sind in diesem Sinne wie Bremsklötze. Ich schreibe im übrigen auch Kurzgeschichten, nicht nur Gedichte.

Wenn man Sie so hört, meint man, Sie wären selber gerne ein Tier.

Ein Igel vielleicht, der seinen Winterschlaf friedlich im Laubhügel verbringt. Aber das Leben als Igel ist gefährlich geworden, seitdem die technikgläubigen Stadtreiniger mit ihren laut knatternden Laubsaugern das welke Laub mitsamt den Igeln aufsaugen.

Das klingt ja sehr pessimistisch.

Oder ein Reptil. Leguane zum Beispiel können das Handeln einstellen, bewegungslos ganze Wochen verbringen. Mit Würde leben sie ein Leben, das den Erfolgsmenschen, die nichts anderes im Sinn haben, als möglichst viele Raubtaler einzufahren, in ihr häßliches Antlitz lacht. Ein Leguan bezieht seinen Stolz aus der Erfolgslosigkeit.

Sie teilen Ihre Wohnung mit einem Leguan. Inspiriert Sie der Kaltblüter?

Ja, ich habe auch Gedichte für meinen Leguan geschrieben. Aber das ist ganz privat.

Fragen: Max Dax