Feldzug mit Schneekanonen

Bayern rüstet Maschinenpark zum Beschneien von Skipisten auf. Anderswo sorgen Bakterien für Schnee bei Temperaturen über null Grad  ■ Von Klaus Wittmann

Sonthofen (taz) – In den Alpen findet ein großes Gefecht mit Schneekanonen statt. In Südtirol werden bereits 35 Prozent aller Pisten mit den Wasserkristallen aus den Kunstschneerohren präpariert, in Österreich sind es sechzehn Prozent und in Bayern etwa fünf Prozent. Schöne heile Welt im Freistaat, möchte man da meinen. Doch der Bund Naturschutz spricht von einem massiven Aufrüsten in den bayerischen Alpen. Der Feldzug gegen den Gästeschwund sei jedoch vergeblich, meinen die Umweltschützer.

Seit in den 70er Jahren die ersten Schneekanonen in Dienst gestellt wurden, war der Zuwachs an Kunstschneemaschinen im südlichsten Bundesland noch nie so massiv. Allein im Oberallgäu wurden im vergangenen Jahr zwölf neue Beschneiungsanlagen genehmigt. Der neue Landrat Gebhard Kaiser (CSU) hatte sich schon vor seiner Wahl als Befürworter geoutet und sich als Retter der dahinsiechenden Tourismusindustrie zu profilieren versucht.

„Stop it!“ donnert hingegen der BN (Bund Naturschutz in Bayern) und warnt vor einer künstlichen Disney-Winterlandschaft. Zum einen werde die Vegetation geschädigt. Und eine vorgegaukelte Schneesicherheit habe mit einem ehrlichen Tourismus nichts zu tun. „Wir bekommen auch Unterstützung von konservativen Leuten“, sagt Heinz Möschel, Bund-Naturschutz-Beirat im Oberallgäu und Kreisrat der Grünen. „Die Leute sagen, wenn's der Herrgott nicht schneien läßt, dann gibt es eben keinen Schnee.“

Außerdem sei die massive Aufrüstung mit Schneekanonen gar nicht mit der gültigen Gesetzeslage vereinbar. In einer Bekanntmachung des Bayerischen Umweltministeriums vom 18. Oktober 1993 heißt es: „Die Errichtung und der Betrieb von Beschneiungsanlagen darf nicht die großflächige Erschließung von Skiabfahrten bezwecken. Beschneiungsanlagen sind unzulässig, wenn mit ihrer Hilfe die Voraussetzung für den Wintersport in insoweit geographisch oder klimatisch benachteiligten Gebieten erst geschaffen oder die Skisaison verlängert werden soll.“ Doch genau dies sei mit den jüngsten Genehmigungen passiert.

Im bayerischen Umweltministerium und bei den Liftbetreibern wird freilich ganz anders argumentiert. Und auch die Genehmigungsbehörden, allen voran das Landratsamt Oberallgäu, sind auf Linie. Ohne künstliche Beschneiung würden immer mehr Touristen ins benachbarte Österreich abwandern, wo ganz massiv beschneit werde. „Beschneiungskanonen sind die friedlichsten Kanonen der Welt“, verkündete hoch oben auf dem Nebelhorn bei Oberstdorf der bayerische Finanzstaatssekretär Alfons Zeller.

Das Allgäu dürfe nicht länger auf die ewigen Nörgler hören, die an allem was auszusetzen hätten, sondern müsse Schneekanonen als Sicherung des Fremdenverkehrsstandortes einsetzen. Schließlich forderte der Tourismusförderer Zeller gar einen staatlichen Zuschuß für künstliche Beschneiungsanlagen. So richtig kräftig mit den künstlichen Wasserkristallen schießen wollen natürlich auch die Liftbetreiber, die kilometerlange Wasserleitungen auf ihren Hängen verlegt haben, um für Schneenachschub zu sorgen, wenn die Natur nicht will.

Der Bund Naturschutz bemängelt, daß für einen Quadratmeter Kunstschneepiste von etwa 30 Zentimetern Dicke rund 100 Liter Wasser benötigt würden. Andere Berechnungen gehen gar von 200 bis 400 Liter pro Quadratmeter aus. Pro Hektar liege der Stromverbrauch bei 13.000 Kilowattstunden und schon 1990 hat die Schweizerische Informationsstelle für Kernenergie (SIK) errechnet, daß pro Saison rund 500.000 Kilowattstunden Strom benötigt werden.

Der grüne Oberallgäuer Kreistagsabgeordnete Möschel, der selbst jahrelang stellvertretender Leiter einer Seilbahn war, fürchtet aber noch weiteren Flurschaden. Mit aller Macht, sagt er, würden Grüne und Bund Naturschutz verhindern, daß „die nächste Stufe der Perversion, die Behandlung des Schneekanonenwassers mit Bakterien verhindert wird“.

In den USA, Kanada, in Italien, Frankreich, Schweden und Norwegen werden die „Wundermittel“ wie „Snowmax“ bereits eingesetzt, um auch bei Plusgraden Kunstschnee versprühen zu können. Durch radioaktiv inaktivierte Bakterien ist die künstliche Beschneiung sogar bei plus vier Grad Celsius möglich. Bislang sind solche Anlagen in Deutschland noch nicht genehmigt worden.