Das Portrait
: Nord-Koreas Chefideologe im Exil

■ Hwang Jang Yop

Baby-Kim muß traurig sein. Der letzte stalinistische Alleinherrscher wird seinen 55. Geburtstag am Sonntag ohne seinen Lehrer feiern. Hwang Jang Yop, der frühere Leiter der wichtigsten Universität in Pjöngjang und Lektor des damaligen Studenten Kim Jong Il, hat am Mittwoch in der südkoreanischen Botschaft in Peking politisches Asyl beantragt.

Dem 73jährigen Soziologen, der als Chefideologe des nordkoreanischen Autarkieprinzips „Juche“ berühmt wurde, muß das Lügen am Ende schwer gefallen sein: „Alle sind sich unter dem Kim-System einig“, sagte Hwang Anfang Februar in Tokio, um dieser Einigkeit nur Tage später der den Rücken zu kehren. Hwang war nach offizieller Lesart die Nummer 26 in der nordkoreanischen Hierarchie und damit für einen Wissenschaftler sehr weit gekommen. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte er in Tokio die Schule besucht und anschließend in Moskau studiert. Nach seiner Universitätstätigkeit bekleidete er von 1972-1982 als Vorsitzender des Volkskongresses eine sehr hohe Position im Staat, die ihm jedoch politisch wenig nützte, da er einem machtlosen Parlament vorstand.

Zuletzt diente Hwang in der Rolle des ZK-Sekretärs für Außenpolitik vor allem als Aushängeschild: Als Intellektueller wußte er auch im Ausland zu beeindrucken, und wie kaum ein anderer Spitzenfunktionär des Regimes kannte sich der weitgereiste Professor in China, Japan und im Westen aus. Dort sah man in ihm stets einen engen Vertrauten der Kims. Wie eng der Kontakt zwischen Lehrer und Schüler aber wirklich war, bleibt offen: „Hwangs Übertritt ist das bislang stärkste Signal, daß das stalinistische Regime zusammenbricht“, jubelte Park Hun Ok vom Nord-Korea-Institut in Seoul. Doch in Japan widersprach der Korea-Experte Teruo Komaki: „Hwang hatte als Wissenschaftler keinen Einfluß auf Partei und Militär. Sein Asyl führt deshalb nicht zur Spaltung der Führung.“

Unbestritten bleibt, daß Hwang der bislang ranghöchste Deserteur des Kim-Regimes ist. Nicht ohne Grund meldeten Nord-Koreas Medien kein Wort über den Abgang. Wenn der Gelehrte jetzt öffentlich verbreitet, was er über sein Land weiß, wäre die ganze Welt klüger. Vielleicht hat Hwang sogar noch das Zeug zu einem nordkoreanischen Solschenizyn. Georg Blume