„Schlimmste Klischees“

■ Im Wortlaut: Jerzy Kanal, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin

Abgesehen davon, daß der gesamte Artikel auf Tatsachenverdrehungen und Unwahrheiten beruht, was bei Frau Kugler üblich und mir aus eigener Erfahrung bekannt ist, sind die Äußerungen in ihrem Kommentar die schlimmste Ansammlung von antisemitischen Klischees, die mir in der deutschen Presse während der letzten 52 Jahre in die Hände kam.

In dem Kommentar empört sich die Autorin mit Ausdrücken wie „ein erschreckendes Beispiel für den Verlust von Sitte und Anstand in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts“ – (sprich der Jüdischen Gemeinde zu Berlin) und gar „eine Schande für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland“.

Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und ich persönlich werden beschuldigt, wir hätten uns nicht von der Beleidigung einer Familie von Widerständlern distanziert. Dies ist falsch. Wahr ist vielmehr, daß ich selbst – noch vom Krankenbett aus, als ich von der Auseinandersetzung erfuhr – sofort Kontakt zu Herrn Klaus von Dohnanyi aufnahm und das klärende Gespräch vom 15. Januar initiierte. Die erhoffte Klärung wurde im beiderseitigen Einvernehmen herbeigeführt. Herr von Dohnanyi erfuhr seine Genugtuung, Frau Kugler offensichtlich nicht.

Was treibt diese Dame dazu, sich mit offensichtlich gespielter Empörung für Widerständler einzusetzen, während sie Opfer der NS-Willkürherrschaft diffamiert. Wohl das Bedürfnis, „eine Schande über die jüdische Gemeinschaft in Deutschland“ auszurufen. Wie sonst soll man sich den Gebrauch eines klassischen antisemitischen, des Stürmers würdigen Klischees wie „jüdische Schieber- und Spekulantenbande“ erklären, das zumal unerhörterweise mit dem Namen des Rabbiners Leo Baeck in Zusammenhang gebracht wird? Dieser Artikel ist für mich ein erschreckendes Beispiel des faschistoiden Kryptoantisemitismus einer linken Journalistin, wie er schon seinerzeit im Frankfurter Theaterstreit zum Vorschein gekommen war.

Ich hätte auf die Schmähungen von Frau Kugler nicht reagiert, wenn sie sich nicht diesen Artikel erlaubt hätte, den ich als gewollten Dammbruch bezeichne. Es ist heute scheinbar wieder möglich, in zugelassenen Zeitungen auf diese Weise Juden zu diffamieren. Wenn Normalität im Verhältnis zu Juden in Deutschland ungehemmte Hetze gegen Juden bedeutet, wollen wir eine solche Normalität nicht.

Daß die taz solchen Hetzartikeln ein Forum bietet, ist sehr bedauerlich.