Lohndumping gegen Arbeitslosigkeit

Tarifparteien einigen sich auf erneute Arbeitsmarktreform in Spanien. Eingriffe der konservativen Regierung fallen weniger drastisch aus als beim Vorgänger Gonźalez  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Spaniens konservativer Regierungschef José Maria Aznar hat von den Fehlern seines sozialistischen Vorgängers Felipe González gelernt. Statt per Dekret in den Arbeitsmarkt einzugreifen, übte das Arbeitsministerium sanften Druck auf die Tarifpartner aus, damit die sich einigen.

Die Rechnung ging auf. Der Unternehmerverband CEOE und die zwei großen Gewerkschaftszentralen des Landes, die sozialistische UGT und die kommunistische CCOO, stehen kurz vor der Unterzeichnung eines Abkommens. Drastische Eingriffe in die gültigen Bestimmungen für Arbeitsverträge sollen für eine Minderung der bei 21,8 Prozent liegenden Arbeitslosigkeit und für mehr Festeinstellungen sorgen.

Dabei geht es vor allem um Langzeitarbeitslose und Jugendliche. Um sie mit einem Festvertrag von der Straße zu holen, werden für diese beiden Gruppen bisher gültige Bestimmungen im Falle einer erneuten Entlassung gelockert. Die dann fällige Abfindung wird pro gearbeitetes Jahr von 45 Tageslöhnen (Maximalsumme ist der Verdienst von 45 Monaten) auf 30 Tageslöhne (Maximal 12 Monatslöhne) gesenkt. Für Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren, die nur einen Schulabschluß haben, wird ein Ausbildungsvertrag eingeführt. Er dauert längstens zwei Jahre. 90 Prozent des Mindestlohns von 800 Mark und volle Sozialabgaben werden als Mindestentgelt festgeschrieben.

Eine in den Vereinbarungen verankerte „Nationale Beschäftigungskommission“ soll die Umsetzung des Abkommens überwachen. Dieses unabhängige Gremium, in dem neben Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch das Arbeitsministerium vertreten sein wird, soll vor allem darauf achten, daß keine Arbeiter mit gültigem Festvertrag entlassen und durch Arbeiter mit den billigeren, neuen Verträgen ersetzt werden.

Auf diesen Punkt legen die Gewerkschaften besonderen Wert. Nur zu gut sind ihnen die Folgen der letzten, 1994 von Felipe González zwangsverordneten, Arbeitsmarktreform im Gedächtnis. Unter anderem wurde damals für Jugendliche zwischen 16 und 27 Jahren ein sogenannter Anlernvertrag eingeführt. Dieser „Müllvertrag“, der jetzt durch das neue Abkommen außer Kraft gesetzt wird, sah weniger als die Hälfte des Normallohnes vor. Arbeitslosenversichert waren diese Jungarbeiter ebenfalls nicht. Zusammen mit der Möglichkeit, verstärkt befristete Arbeitsverträge abzuschließen, führte diese Reform, die den Sozialisten den dritten Generalstreik ihrer Amtszeit einbrachte, zu einem der schwierigsten Arbeitsmärkte Europas. Über 30 Prozent der spanischen Beschäftigten besitzen nur einen Zeitvertrag.