■ Wenn der Westen Berisha stützt, droht ein Bürgerkrieg
: Der Beginn einer Tragödie

Sali Berisha, der ehemalige Leibarzt Enver Hodschas, klammert sich an die ursurpierte Macht und ist entschlossen, Albanien zu spalten und in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Der Schützling der Westmächte, die ihn um den Preis der jungen Demokratie als Garanten für einen Frieden im Kosovo aufbauen wollten, entpuppt sich als größte Gefahr für den brüchigen Frieden auf dem Balkan.

Berisha ist der Ziehsohn der britischen Konservativen, die USA unterstützten ihn allein 1996/97 mit 27 Millionen Dollar plus 30 Millionen Dollar Militärhilfe. Auch aus Deutschland kamen letztes Jahr zig Millionen Mark Militärhilfe, und Richard von Weizsäcker hatte wochenlang direkt Wahlhilfe für ihn gemacht.

Vor drei Wochen hatte sich Berisha – nach einem brutalen Wahlbetrug im letzten Jahr und nach dem Zusammenbruch der verbrecherischen Pyramiden- Schwindelsysteme, über die er sich finanzierte – von einem gleichgeschalteten Parlament für weitere fünf Jahre zum Präsidenten ausrufen lassen. Tags darauf brannte seine Geheimpolizei die größte Oppositionszeitung nieder. Der Süden des Landes erhob sich mit der Forderung nach dem sofortigen Abtritt des Präsidenten. Mit einer Interventionsdrohung Italiens im Rücken, formierte Berisha nun eine Koalitionsregierung. Er versprach Wahlen, will aber das Innenministerium und die Geheimpolizei behalten, die den Wahlschwindel 1996 organisierten. Jetzt gibt er seinen Anhängern in Tirana und im Norden die Waffenlager der neutralen Armee zur Plünderung frei. Die Sozialisten taktieren. Die kleine, aber entscheidende Oppositionspartei, die Demokratische Allianz, hat sich aus der Koalition zurückgezogen.

Wenn der Westen nicht sofort offen gegen Berisha Front macht, wird ein Bürgerkrieg entbrennen, der schon allein wegen der 700.000 von Enver Hodscha hinterlassenen Bunker aus Albanien eine balkanische Zeitbombe macht. Der Aufstand im Süden kann dann auf Makedonien mit seiner albanischen Minderheit übergreifen, der Krieg im Norden auf den verzweifelten albanischen Kosovo. Eine militärische Intervention hingegen wäre der Beginn einer europäischen Tragödie, für die der Jugoslawienkrieg dann nur ein Vorspiel gewesen wäre. Ulrich Enzensberger

Der Autor lebt in Berlin