Ungewollte Debatte

■ Die Wehrmachtsausstellung löst unter den Parteien einen heftigen Streit aus, was den Organisatoren gar nicht recht ist

Anders als erwartet ist die Wehrmachtsausstellung nun doch ins Parlament gekommen, zumindest die Debatte über sie. Auf Antrag von Bündnis 90/Die Grünen diskutierte gestern der Bundestag über eine Stellungnahme zu der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“.

Die Grünen reagierten damit auf die Angriffe gegen die Wanderausstellung und auf das Hamburger Institut für Sozialforschung. Vertreter der Unionsparteien, insbesondere Peter Gauweiler (CSU), hatten in den vergangenen Wochen die Ausstellung verunglimpft und den Leiter des Instituts, Jan Philipp Reemtsma, persönlich angegriffen. Doch glücklich sind die Organisatoren der Ausstellung über dieses politische Podium im Bundestag nicht. „Die Ausstellung wird benutzt, um parteipolitischen Querelen auszutragen“, beklagt die Sprecherin des Hamburger Instituts, Regine Klose-Wolf: „Jetzt wird nach Parteidisziplin entschieden, für oder gegen die Ausstellung zu sein.“

Auch Jan Philipp Reemtsma versucht, jedweden „politischen Profilierungsversuch, von welcher Seite auch immer“, abzuwehren, da er von der wissenschaftlichen Bedeutung der Ausstellung ablenke.

Doch wie kaum bei einem anderen erinnerungsträchtigen Thema ist der politische Streit eskaliert – und zu einem Selbstläufer im politischen Tagesgeschäft geworden. Angestoßen wurde die Bonner Mühle, als die beiden Abgeordneten Angelika Beer (Bündnisgrüne) und Dagmar Enkelmann (PDS), forderten, die Ausstellung im Foyer des Bundestags zu zeigen. Damit haben sie eine politische Bühne geöffnet, wofür ihnen die Austellungsmacher nicht besonders dankbar sind. Der Vorschlag der Bundestagsabgeordneten war nicht mit dem Institut für Sozialforschung abgesprochen. Dieses hält sogar den Bundestag als Ausstellungsort für schlecht gewählt. Anliegen des Instituts sei es, daß die Ausstellung von möglichst vielen Zuschauern gesehen werden kann. „Insofern“, erklärte Reemtsma, „ist der Bundestag im Hinblick auf die öffentliche Zugänglichkeit der Ausstellung nicht der geeignete Ort.“ Als zusätzlicher Ort der Präsentation sei der Bundestag dem Institut selbstverständlich recht.

Für Bernd Boll, einer der Autoren der Wehrmachtsausstellung, ist es „unwichtig, durch welche Symbole Zeichen gesetzt werden“. Die Ausstellung richte sich an Individuen. „Wir machen die Ausstellung nicht für die Grünen und die SPD und nicht gegen die CDU. Auf der politischen Bühne kann das Problem der Erinnerung nicht gelöst werden.“ Die Unionsparteien und FDP stellten einen Gegenantrag, in dem sie sich gegen „jede einseitige oder pauschale Verurteilung der der Angehörigen der Wehrmacht“ verwahren.

Daß die zwischen den Fraktionen aufgebrochenen Trennungslinien dagegen verschiebbar sind, zeigen die Beispiele von Frankfurt und Bremen. An der Weser wurde der Streit um die Ausstellung von der Großen Koalition pragmatisch beigelegt. Neben der Erhöhung der Wochenarbeitszeit für Lehrer einigte sich der Koalitionsausschuß auf die Aufstellung einer begleitenden Tafel, um die Ausstellung im Rathaus zu zeigen.

In Frankfurt dagegen machen sich die beiden rivalisierenden Flügel der CDU die Wehrmachtsausstellung für ihre internen Machtkämpfe nutzbar. Thekla Dannenberg