piwik no script img

Durchs DröhnlandSpringsteen für Arme

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Hardcore ist, so scheint es manchmal, schon längst nicht mehr in Händen verlumpter Punks, sondern statt dessen das Ding von Menschen, die nach ihrer Musikerkarriere zurück ins Lehramtsstudium wandern. Sieht man sich die Missing Links an, könnte man meinen, die sind schon alle Sozialkundelehrer. Das Sextett aus Nancy spielt denn auch so intellektuell, wie es die Brachialität dieser Musik zuläßt. Verzwiebelt und verschnüselt wie bei der Victims Family turnen die Gitarren, verschränken sich die Rhythmen, stolpern die Breaks. Doch der Umgang mit der komplexen Materie hat nichts Spielerisches, über allem liegt der Geruch von harter Arbeit. Selten nur lassen sie es mal einfach fließen. Doch daß auch sie einen Hang zu guter Unterhaltung haben, beweisen sie mit einer Kiss-Coverversion.

11.4., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176

Nachwuchsfestivals sind meistens ein Graus, weil immer der kleinste gemeinsame Nenner Gefallen bei der Jury findet. Das scheint beim 1. Undersound- Festival nicht passiert zu sein, denn sonst hätten sich aus 200 Bewerbern nicht ausgerechnet die kreischenden, ekligen, scheißewerfenden Knorkator mit den meisten Stimmen durchgesetzt. Das Gewinnerfeld wird komplettiert von Internecine aus Cottbus, Stone in Surf aus Erkner, Shockproof, der neuen Band des ehemaligen D-Base-5-Sängers Joe Hooligan, HipHop aus Ostberlin mit X-Certificate und den unglaublich jungen Grandmothers Suicide: Keine der drei ist älter als 17.

11.4., 21 Uhr im Liceclub Neuruppin, 12.4., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176

In ihren Anfangstagen genossen trieb. Protektion von illustren Leuten: Oberkrupp Jürgen Engler und Funklegende Bootsy Collins remixten ihre Songs. Hört man ihre letzte Platte, haben diese Referenzen allerdings nicht viel mit den Bielefeldern selbst zu tun. Industrial oder gar Funk sucht man vergebens, und auch die HipHop-Zitate früherer Zeiten sind verschwunden. Der Rest ist Rock, Gitarren, ist manchmal etwas viel stumpfe 70er, vor denen auch die deutschen Texte keinen wirklichen Schutz bieten.

12.4., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39

Zwischenzeitlich schien es, als sei Steve Wynn unwiederbringlich zum Altherrenrocker mutiert. Die jugendliche Verzweiflung seiner frühen Tage mit dem unwiderstehlichen Dream Syndicate hatte er vertauscht mit einer jovialen Ehrlichkeit, die allzuleicht in ein altbackenes Arbeitsethos umzukippen pflegte. Aus dem Helden zerrissener Gitarrenträume wurde ein Bruce Springsteen für Arme. Dem hat er beim All-Star-Projekt Gutterball und mit seiner letzten Soloplatte „Melting in the Dark“ erst mal Einhalt geboten, auch wenn er bei weitem nicht die glamouröse und zugleich archaische Kraft seiner früheren Band entwickelt. Aber immerhin weigert er sich weiterhin standhaft, zum gerade so modischen Singer/ Songwritertum überzutreten. Auch egal, denn Dream Syndicate waren die letzte wirkliche Live-Band dieses Planeten: Die Tagesform entschied, ob ein Auftritt nur eine oder gleich vier Stunden dauerte. Vielleicht hat sich Wynn mit seiner Begleitkapelle wenigstens diese Eigenschaft bewahrt. „Wenn irgend jemand das Recht hat, das Dream Syndicate zu beklauen“, ließ Wynn unlängst wissen, „dann bin ich das.“

13.4., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224

Auch wenn ihr Schlagzeuger mit der Bassistin der Smashing Pumpkins verheiratet ist und Billy Corgan vor vier Jahren ihre erste Platte produzierte, sind Catherine doch keine Pumpkins- Ableger oder -Epigonen. Im Gegensatz zu Corgans Weltentröstern mit ihren verquasten 70er- Sounds bevorzugt das Quartett aus Chicago eher den direkten Weg zum Ziel. Saubere, warme Gitarren, die auch mal ein bißchen lärmen, aber niemanden verschrecken wollen. Es ist Pop im besten Sinne, und die College- Radio-Gemeinde in den Staaten liebt sie zu Recht.

Mit Michael van Dyke, 14.4., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41

Die freundlichen Brüder Lippok aus Berlin und der Düsseldorfer Herr Schneider haben sich wieder mal getroffen und Bass und Schlagzeug mit diversen Errungenschaften des Computerzeitalters „verkoppelt“, wie das in solchen Kreisen schon mal gerufen wird. Herausgekommen sind wieder Instrumentals, die sich scheinbar endlos monoton dahinwälzen, aber voller kleiner Sensationen stecken, die man mit ein bißchen offenen Ohren heraushören kann. Der Trend geht zur Tanzmusik für den Ohrensessel, To Rococo Rot sind dabei.

15.4., 22 Uhr, Volksbühne, Roter Salon

X-Rated aus der Schweiz crossovern, was das Zeug hält und manchmal eben nicht mehr aushält. Metal-Gitarren und Rap zusammen geht ja noch, aber diese schwülstige Orgel im Hintergrund und dann noch der Funk-Bass und... Man kann alles übertreiben.

16.4., 22 Uhr, Franz

Hall of Souls aus dem Saarland gehören nicht unbedingt zur allerersten Garde deutscher Düsterrocker, aber auch bei den Saarländern sind die Keyboardschwaden fett wie Morgennebel und die Stimme schwülstig wie ein Tag in den Tropen. Sie sind breiter als die Sisters of Mercy, aber nicht ganz so pathetisch wie Fields of Nephilim, also gut für einen Abend voller schwermütiger Gedanken.

17.4., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Eintritt frei! Thomas Winkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen