berliner szenen Geburtstag in Blau-Weiß

Herthas bester Mann

In meinem Alter sollte man nicht als Anhängsel zu einem runden Geburtstag mitgehen, schon gar nicht nach Frohnau, wo die Einfamilienhäuser erhöht stehen, sechzig Stufen bis zur Haustür. Links und rechts wackelten die Gardinen, als wir schwer atmend klingelten. Der Jubilar öffnete die Tür im Hertha-Outfit, das ganze Programm: Shorts, Kniestrümpfe, Trikot, auf dem eine 40 stand. „Toll, mein erster echter Herthaner“, wollte ich gern zur Begrüßung sagen, aber Anhängsel sollen nicht vorlaut sein.

Im Wohnzimmer saßen etwa fünfzehn Gäste, niemand sonst im Trikot, nur die Freundin des Jubilars trug Blau-Weiß auf den Wangen. Ich wurde neben eine Frau platziert, die sich als Nachbarin vorstellte, eine von jenen alten Damen, die Tucholsky die „Na-fabelhaft-Berlinerinnen“ nannte und die man leider heutzutage nicht einmal mehr im KaDeWe treffen kann. Die alte Dame, eine pensionierte Studienrätin, sagte auch tatsächlich „na fabelhaft“, „entzückend“ und „reizend“ zu mir und fragte mich, ob ich wisse, wann der Überraschungsgast komme. Alle am Tisch würden heimlich davon sprechen, damit der Jubilar es nicht hört.

Eine halbe Stunde später klopfte es an der Tür, ich sah etwas Großes, Dickes in Blau-Weiß, einen Kopf konnte ich nicht erkennen. Die anderen Gäste schrien sofort einen Namen, den weder die alte Dame noch ich verstanden. Der Jubilar hatte Tränen in den Augen, dann zog er seine Kniestrümpfe hoch, das Trikot glatt und ließ den Überraschungsgast herein. Er war über zwei Meter groß und sehr kräftig, es war Herthinho, das Maskottchen von Hertha. „Wer ist das?“, fragte die alte Dame, „Herr Tonio? Von Thomas Mann? Der sieht doch ganz anders aus. Na fabelhaft!“ JUTTA RAULWING