Die Region um Bihać ist sicheres Rückkehrgebiet

■ Auch dort mangelt es den bosnischen Flüchtlingen an Wohnungen und Arbeit

Bihać (taz) – Auf dem Gelände der Kühlschrankfabrik Gorenje in Bihać ist es ruhig geworden. Vor dem Krieg in Bosnien-Herzegowina waren in dem Zweigwerk des slowenischen Konzerns 3.000 Menschen beschäftigt. Damals wurden im Hof Lastwagen beladen, die durch halb Europa fuhren. Heute erinnert nichts mehr an das geschäftige Treiben von damals.

In den Büros der Verwaltungsgebäude haben sich rund ein Dutzend internationale Hilfsorganisationen eingemietet. Alexandra Morelli, die italienische Leiterin des Büros der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR, koordiniert die vielen Projekte des UNHCR im Bereich des Wiederaufbaus und der Infrastruktur.

Im Gebiet Bihać-Sanski Most sind viele Häuser zerstört. Vor allem im Norden, um die Stadt Velika Kladuša und in den östlichen Dörfern um Sanski Most stand mancherorts kein Stein mehr auf dem anderen. Die beiden Städte Kljuć und Sanski Most dagegen überstanden den Krieg in relativ gutem Zustand. Schon kurz nach dem Dayton-Abkommen konnten rund 30.000 Menschen, die bis dahin in Bihać als Flüchtlinge gelebt hatten, zurückkehren. Und bald kamen auch Vertriebene aus dem Ausland. Die Bevölkerungszahl des Una-Sana-Kantons stieg von rund 180.000 Menschen im Jahre 1995 wieder auf weit über 300.000 an. Vor allem Deutschland, die Schweiz, Österreich und die skandinavischen Länder sahen schon 1996 in dem Kanton das Rückkehrgebiet Nummer 1. Während in anderen Teilen Bosniens die Rückkehr von Vertriebenen behindert oder unmöglich gemacht wird, hat sich der Kanton offen für die Rückkehr nicht nur von Muslimen gezeigt. Und da aus diesem Kanton und dem von Serben kontrollierten Gebieten um Prijedor und Banja Luka fast ein Drittel aller Flüchtlinge Bosnien-Herzegowinas stammt, freuen sich die Verantwortlichen der Aufnahmeländer, daß es wenigstens eine Region gibt, in die Flüchtlinge sicher nach Hause zurückkehren können. 1996 machten Regierungsstellen in Bonn und Bern dem Kanton sogar Hoffnungen, auch wirtschaftlich behilflich zu sein, um den Flüchtlingen Anreize für die Rückkehr zu bieten. „Von einer wirtschaftlichen Entwicklung können wir noch nicht sprechen“, dämpft Alexandra Morelli jedoch allzu hoch gesteckte Erwartungen der Aufnahmeländer. „Wir müssen nämlich nach wie vor hauptsächlich Lebensmittelhilfe für über hunderttausend Menschen leisten.“ In der 60 Kilometer östlich gelegenen Stadt Kljuć erarbeitet Sabine Kroner ein Wiederaufbaukonzept des Technischen Hilfswerks. Anfragen von rückkehrwilligen Familien würden vom UNHCR in den Aufnahmeländern entgegengenommen. Dann würden vor Ort in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden die Besitztitel an Häusern und Wohnungen überprüft. Stimmten die Angaben überein, könne mit der konkreten Arbeit an den zerstörten Häusern begonnen werden. Vom Technischen Hilfswerk würden Baumaterialien auf den örtlichen Märkten gekauft und den Rückkehrern zur Verfügung gestellt. „Den Rückkehrern wird eine eigene Leistung abverlangt. Wir geben Material für die Wiederherstellung von Dächern, sanitären Anlagen, für die Wiederherstellung eines Wohnraums.“ Mit einem Volumen von rund 4 Millionen Mark seien in der Region um Kljuć bisher 667 Häuser wiederhergestellt worden.

Anders geht das Schweizer Katastrophenhilfskorps vor. Bis zum 30. April hatten die rund 22.000 bosnischen Flüchtinge in der Schweiz Gelegenheit, „freiwillig“ in die Region zurückzukehren. Wer dies wie 472 Bürger Bihaćs tut, kommt in den Genuß von 6.000 Mark Beihilfe pro Person, Kinder erhalten 3.200 Mark. Werner Schwiete, der Leiter des Korps, betont jedoch auch die Investitionen in die Infrastruktur der beteiligten Gemeinden. „Wir wollen keinen Gegensatz von Hiergebliebenen und Rückkehrern züchten, deshalb werden Summen in gleicher Höhe für die Wiederherstellung von Schulen, für die Ausbildung von Maurern und Zimmerleuten, für Infrastrukturmaßnahmen bereitgestellt.“

Thomas Reuter ist Chef des Malteser Hilfskorps in der Region. Wie eine ganze Reihe nichtstaatlicher Hilfsorganisationen bemühen sich die Malteser erfolgreich um ein ganzes Spektrum von Wiederaufbauprojekten. Trotz aller Anstrengungen sei die internationale Hilfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein, erklärt er und warnt zugleich: „Wenn jetzt wie geplant in diesem Jahr nochmals hunderttausend Leute kommen, weiß ich nicht, wie die unterzubringen sind.“ Erich Rathfelder