Tiermehl-Schlamperei

EU-Länder halten Normen zum Schutz vor BSE bei der Tiermehlherstellung nicht ein  ■ Von A. Berger und R. Metzger

Brüssel/Berlin (taz) – Das Tiermehl in der Europäischen Union wird nicht nach den gültigen Normen verarbeitet. Diese Erkenntnis gewann gestern der BSE-Kontrollausschuß des EU-Parlaments. Nach den bisherigen Forschungen ist damit auch nicht sicher verhindert, daß BSE-Erreger von unerkannt infizierten Tieren in das später häufig als Tierfutter verwendete Mehl gelangt.

Die EU-Kommissarin für Verbraucherschutz, Emma Bonino, hat bei der gestrigen Sitzung des Kontrollausschusses auf Nachfrage der Grünen zugeben müssen, daß einzelne Mitgliedsstaaten wie Frankreich oder Großbritannien die im April 1996 vom Ministerrat beschlossenen und seit dem 1.April 1997 geltenden Bedingungen für die Verwendung von Tiermehl nicht anwenden.

Zwei nicht genannte Länder beabsichtigen dies nach eigenen Angaben noch nicht einmal. Der Kontrollausschuß fordert nun von Bonino, gegen die entsprechenden Staaten ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission zu starten. Dann würden EU-Zuschüsse an die entsprechenden Länder zurückgehalten und ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof eingeleitet.

Bevor es zu solch harschen Maßnahmen kommt, wird die Kommissarin allerdings versuchen, die renitenten Länder in Verhandlungen zu überzeugen. Sie hat ihnen deshalb eine Galgenfrist bis Ende Mai gesetzt.

Es ist zwar noch nicht geklärt, wie der BSE-Erreger aussieht und wie die Infektion mit der Gehirnkrankheit vor sich geht. Um eventuelle BSE-Erreger in Tierkadavern abzutöten, muß das Fleisch aber vor der Verarbeitung nach der geltenden EU-Norm mindestens 20 Minuten bei entsprechendem Druck auf über 130 Grad erhitzt werden. Diese Werte stammen aus einer Versuchsreihe von Forschern im schottischen Edinburgh. Sie hatten Tiermehl aus BSE-infiziertem Fleisch so lange erhitzt, bis sie keine Spuren des Erregers mehr im Endprodukt Tiermehl feststellen konnten.

Den Tierkörperverwertungsanstalten fehlen heute meist die entsprechenden Anlagen. Nur in Deutschland wird die Norm eingehalten. Der Europäische Verband der Tiermehlindustrie hat sich nun aber für die Durchsetzung der Norm ausgesprochen. Der Verband fürchtet die Diskussion über ein gänzliches Verbot der Verfütterung von Tiermehl, so der grüne Europaabgeordnete Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Schließlich sind Schlachthöfe und Abdecker auf die Verfütterung ihrer Abfälle an Schweine, Fische oder Hühner angewiesen. An Wiederkäuer wie Rinder oder Schafe darf Tiermehl in der EU nicht mehr verfüttert werden.