Eine Versöhnung der besonderen Art

■ „Homo 2000“: Drei Monate gibt es zum Jubiläum ein Kulturprogramm „vom Feinsten“ – zusammengestellt von dem hier wenig geliebten Rosa von Praunheim

Wie hat man ihn beschimpft, 1990! Als er der Szene vorwarf, Partystimmung zu verbreiten anstatt Safer Sex zu thematisieren; als er den Frankfurter Sexualwissenschaftler Martin Dannecker und den Berliner Autor Matthias Frings der Mithilfe zu Mord und Totschlag bezichtigte, weil sie die freie Sexualität höher ansiedeln würden als die Aidsprävention; als er den Mitarbeitern der Aidshilfe an den Kopf knallte, nur Verwaltung zu verwalten und, wenn sie die Leidenschaft übermanne, unter einem Safer-Sex-Plakat unsafe zu bumsen. Und wie hat man ihn ein Jahr später, 1991, „geprügelt“, als er zur besten Sendezeit Kerkeling und Biolek und später ein paar andere mehr outete! Verräter und Denunziant wurde Rosa von Praunheim genannt. Und schlimmer, er wurde wieder mit seinem bürgerlichen Namen Holger Mischwitzky angeredet. Das hat wehgetan.

Am Sonntag saß ein anderer Rosa von Praunheim im Sonntagsclub in Prenzlauer Berg. Einer, der zwar immer noch der Überzeugung ist, „es ist wichtig, daß sich Sympathieträger outen“, der aber auch sagt, „ich würde es heute nicht mehr tun.“ Einer, der seine Safer-Sex-Kampagne verteidigt, aber viel moderater, mit leiseren, diplomatischeren Tönen. Einer, der seine lautstarken Provokationen von damals heute vorsichtig „meine Art von Pädagogik“ nennt.

Rosa, so scheint es, ist auf der Suche nach Liebe. Vor allem hier, in Berlin, in seiner Stadt, in der er sich so viele Feinde geschaffen hat und von der er heute noch sagt, sie ist „kalt“. Daß es wieder einmal anders wird, mag die unausgesprochene Sehnsucht des Filmemachers Rosa von Praunheim sein.

Vielleicht ist es ein Stück Wiedergutmachung, das Rahmenprogramm „Homo 2000“, das die Ausstellung „Goodbye to Berlin?“ begleitet, und das vor allem er auf die Beine gestellt hat. Und vielleicht will er den Film über den Berliner Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld, sein nächstes großes Projekt, ja nur deswegen drehen, um sich mit dieser Stadt versöhnen zu können. Noch arbeitet er vorwiegend in Amerika.

„Homo 2000“ – so steht es gedruckt auf seinem T-Shirt. Rosa von Praunheim läuft Werbung für das Rahmenprogramm, und er tut es zu Recht. Was von Sonntag an drei Monate, vorwiegend in der Akademie der Künste, geboten wird, ist das Feinste der schwulen Kultur, sind Vorträge und Diskussionsrunden. Die Themenabende heißen „Schwule und Mode“, „DDR schrill und bunt“, aber auch „Homosexualität, Religion und Spiritualität“, „Aids-Geschäft – Aids geschafft“ oder einfach nur „Osteuropa“ und „Asien“.

„Es ist nicht so bekannt, daß wir eine so reiche schwule Kultur haben“, hat Rosa von Praunheim im Sonntagsclub noch gesagt. Es wird bekannt werden. Jens Rübsam

Veranstaltungen „Homo 2000“

Sonntag, 16 Uhr: Vernissage „Schusterjungs“, Malerei von Piotr-Mariuz Urbaniak. 19 Uhr: „Lieder, die die Schwulen lieben“, gesungen von Wiebke Puls. 20.30 Uhr: Nackttanz „Weed“, Javier de Frutos und Harry Theaker (London) in Zusammenarbeit mit der TanzWerkstatt Berlin. 21 Uhr: Filmuraufführung „Verliebt in einen tätowierten Schwanz“ von Rosa von Praunheim. Anschließend: Ein Porträt von San Francisco. Gesprächsrunde mit Tom Ammiano, offen schwuler Stadtrat von San Francisco, Joan Jett Blakk, berühmte schwarze Tunte, die sich im US-Wahlkampf um das Amt des amerikanischen Präsidenten bewarb, und José Sarria, Zeitzeuge.

Pfingstmontag, 19.15 Uhr: Volker Langenwagen liest aus Oscar Wildes Gefängnistagebüchern. 19.20: Kriminalreport mit Jens Dobler, Autor, Jörg Riechers, Homo-Beauftragter der Polizei, und Thomas Schaaf, Schwules Überfalltelefon. 20 Uhr: Video & Show mit Ovo Maltine. 21 Uhr: Transen im Knast mit Uwe Classen, Vollzugshelfer. 21.30 Uhr: Modenschau „Gefängniskleidung im Wandel der Zeiten“ mit Tima die Göttliche. 22 Uhr: Party mit DJ Hotte. Mit Infoständen vertreten: SVD, Knast AG, Schwule Internationale und Schwule Polizisten. Weitere Termine im täglichen Programmteil der taz. Alle Veranstaltungen sind kostenlos und finden in der Akademie der Künste, Hanseatenweg, statt.