Gojko reitet wieder

Western? Eastern? Weastern? Gojko Mitic war schöner als Winnetou und besser als Lenin. Jetzt werden seine alten Indianerfilme wieder gezeigt  ■ Von Anke Westphal

Er hatte breitere Schultern und mehr Muskelmasse als Pierre Brice, war gleichmäßiger gebräunt, becircte mit tiefschwärzerem Haar und schlangengleicheren Bewegungen. Die Rede ist vom „DEFA-Chefindianer“ Gojko Mitic. In jedem DEFA-Indianerfilm war er der gute Wilde. Einmal mußte er deswegen sogar – wortwörtlich – ins Gras beißen: In „Tödlicher Irrtum“ schoß ihn einer vom Dach. War es nicht sogar Rolf Hoppe, der heute gern mal den kultivierten „Tatort“-Bösewicht vom Dienst spielt und zu DDR- Zeiten immer den fiesen weißen Indianerhasser mimen mußte, fett, feist und fatal?

Gojko Mitic und Hoppe, nicht zu vergessen Dean Reed (inzwischen tot) und Jürgen Heinrich (inzwischen „Wolffs Revier“) im DDR-Indianerfilm – das ist wohl eine Retrospektive wert. Nicht nur aus Gründen der Optik. Der DEFA-Indianerfilm hatte den, nun ja, kapitalistisch-ausbeuterischen Varianten seines Genres einiges voraus. Der Sozialismus behandelte Indianer nie als blutgierige Untermenschen-Schlachtermeute, nur darauf aus, blonde weiße Frauen und Kinder niederzumetzeln. Im Gegenteil – und dabei soll nicht außen vor bleiben, daß auch dieses Gegenteil symbolisch in den Dienst des Höheren gestellt wurde –, DEFA-Indianer waren beraubtes, betrogenes und vertriebenes Volk, geknechtete Ureinwohner sozusagen. Das kam der historischen Wahrheit doch einigermaßen nahe.

Wie soll man diese Filme nennen – Western? Eastern? Weastern? Oberhäuptling Gojko Mitic, 1940 in Jugoslawien geboren, „kam 1962 erstmals mit dem Film in Berührung“, wie es das Lexikon „Filmschauspieler A–Z“ (DDR 1987) so zartfühlend und treffsicher ausdrückt. Berührt hat Gojko Mitic in der Folge tatsächlich eine Menge, nämlich Pferderücken, den harten Boden einer im – damals halbwegs – befreundeten Jugoslawien befindlichen Prärie sowie hin und wieder auch eine schöne Squaw, dies aber sehr züchtig.

Mitic hatte Sport und Körperkultur studiert und war am Ende seiner Studienzeit in einer englischen Produktion als Double eingesetzt worden. Zwischen 1963 und 1965 machte er Pierre Brice in „Winnetou“ I bis III und „Unter Geiern“ Konkurrenz. Brice dürfte nicht böse gewesen sein, als die DEFA Gojko Mitic 1965 als „Chefindianer“ verpflichtete. Die Indianerfilme mit dem gutgewachsenen Aufrechten waren nicht nur die Antwort der DDR auf westliche Karl-May-Verfilmungen, sondern auch ein Erfolg, und das nicht nur bei Menschen vor und während der Pubertät.

Erfolg hatte die DEFA dringend nötig. Die DDR-Bevölkerung widersetzte sich, wie jedes normal begabte Volk übrigens, massenhafter Begeisterung für Kunstfilme wie Frank Beyers „Königskinder“ – sie ging einfach nicht ins Kino. Nach einer kurzen ideologischen Öffnung zwischen 1962 und 1965 hatte das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED im Dezember 1965 alle Versuche, Gegenwart im Film kritisch abzubilden, fürs erste im Eisschrank enden lassen. In diesem Kontext hatten die DEFA-Indianerfilme reichlich wenig mit dem Mythos Amerika zu schaffen. Sie stellten vielmehr, so steht es auch in „Filmstadt Babelsberg“ (Nicolai 1994), als pädagogisch wertvolle und regieästhetisch nicht unbedingt ambitionierte Unterhaltungsfilme für ein Jahrzehnt – zwischen 1966 und 1976 – „die verläßlichste Hilfe für Ruf und Kasse“ der DEFA dar. So populär war Gojko Mitic in diesen zehn Jahren, daß der „Progress“- Filmverleih Autogrammkarten mit aufgedruckter Widmung anbieten mußte. Selbst heute ist er noch so populär, daß einer der angeseheneren Verlage dem Mann ein Fan-Buch widmete (Gojko Mitic, Mustangs, Marterpfähle, Verlag Schwartzkopf & Schwartzkopf).

„Die Söhne der großen Bärin“, „Chingachgook, die Große Schlange“, „Spur des Falken“, „Weiße Wölfe“, „Apachen“, „Tödlicher Irrtum“, „Blutsbrüder“, „Ulzana“, „Osceola“, „Severino“, „Tecumseh“, „Der Scout“... Man weiß vielleicht nicht mehr, worum es in diesen Filmen genau ging – außer daß Indianer gute, zu Unrecht verfolgte Menschen waren –, sieht jedoch diese mächtige glänzende Brust von Gojko Mitic direkt noch vor sich. Was für eine Männerbrust – ein Männerbusen geradezu! Nach der Wende prangte derselbe blank bei den Bad Segeberger Karl-May- Festspielen neben Ingrid Steeger (Gojko, wie weit mußtest du sinken) und bekleidet in einer ARD- Soap – „Verbotene Liebe“. So bringt unsereins letzten Endes doch noch auf den Punkt, was damals wohl den ganzen Zauber ausmachte.

Die DEFA-Indianerfilme laufen den Juli über täglich (vormittags) im Kino „Checkpoint“, Leipziger Straße 55