Ein wenig Freihandel in Amerika

Nach drei Jahren Nafta sind die Jobs der Amerikaner nicht in den Süden gewandert und die Einkommen der Mexikaner nicht explodiert  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Ein „ohrenbetäubendes Sauggeräusch“ hörte Präsidentschaftskandidat Ross Perot einst durch die USA gehen: der Klang Abertausender Arbeitsplätze, die nach Mexiko verlagert werden, wenn die USA mit dem südlichen Nachbarn und Kanada das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) unterzeichnen. „Keineswegs“, meinte damals schon Präsident Bill Clinton. Nafta werde zu einer Ausweitung des inneramerikanischen Handels und damit zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen. 1993 wurde dann gegen den erbitterten Widerstand der Gewerkschaften – traditionell die Verbündeten der Demokraten – und der Umweltschützer Nafta verabschiedet und ein gemeinsamer Markt größer als die EU geschaffen. Heute legt Clinton dem Kongreß einen Bericht über die Auswirkungen der Freihandelszone auf die US-Wirtschaft vor.

Nafta hat bisher weder die hochfliegenden Erwartungen erfüllt noch die Befürchtungen über Arbeitsplatzvernichtung bestätigt. Der Handel zwischen den USA und Mexiko hat sich seit dem Nafta-Vertrag weiterentwickelt, doch den eigentlichen Schub hatte er schon 10 Jahre zuvor erlebt. Mexiko importiert heute in erster Linie Halbfabrikate (z. B. zurechtgeschnittene Stoffe) und exportiert Fertigwaren, die in mexikanischen Fabriken aus diesen Halbfabrikaten hergestellt werden (z. B. Jeans). Und die zusätzlichen Exporte von mexikanischem Obst und Gemüse in die USA gehen vor allem auf den Absturz des Peso zurück, der mexikanische Waren in den USA verbilligt hat.

Auf den Arbeitsmarkt hatte diese Entwicklung in den vergangenen drei Jahren kaum eine Auswirkung. 117.000 US-Arbeitnehmer haben Hilfen in Anspruch genommen, weil ihre Jobs nach Mexiko verlagert worden sind. Aber 1,5 Millionen US-Arbeitnehmer haben durch die Schließung und Umstrukturierung von Betrieben ihren Arbeitsplatz verloren – ein Umstrukturierungsprozeß, der unabhängig von Nafta läuft. Gleichzeitig hat die amerikanische Wirtschaft 2,8 Millonen neue Jobs geschaffen, da verschwinden die 117.000 nach Mexiko verlorenen geradezu.

In Amerika verdrängen wachsende Einfuhren aus einem Billiglohnland wie Mexiko deshalb sowenig Arbeiter, weil die amerikanische Wirtschaft ohnehin im Begriff ist, Arbeitsplätze vom Industriesektor in den Dienstleistungssektor zu verlagern. Dieser Umstrukturierungsprozeß ist durch Nafta nicht schlimmer geworden. Schlimm sind nur die Produktionsverlagerungen amerikanischer Betriebe, die in Mexiko laxere Umweltstandards zur Kostensenkung nutzen.

Der Sierra Club, eine der größeren amerikanischen Umweltorganisationen, stellte schon im vergangenen Jahr ein Sündenregister amerikanischer Betriebe in Mexiko zusammen und kritisiert, daß der im Rahmen des Nafta-Abkommens geschaffene Umweltkooperationsausschuß (CEC) zur Durchsetzung von Umweltstandards bisher nur auf dem Papier besteht. Kraftwerke, die an der US-mexikanischen Grenze die als Maquiladores bekannten, verlängerten Werkbänke der USA mit Energie versorgen, pusten so viel Dreck in den Himmel, daß die Luft im unberührten Big Bend National Park am Rio Grande manchmal dicker ist als in Houston. Immerhin schafft das Bestreben der Clinton- Regierung, Nafta nach Südamerika auszuweiten, die Möglichkeit, die Durchsetzung von Umwelt- und Arbeitsschutzstandards erneut zu fordern.

Nicht gelungen ist es der Nafta auch, das Wohlstandsgefälle zwischen den USA und einem unterentwickelten Land wie Mexiko merkbar zu nivellieren. Damit bleiben auch jene Irritationen zwischen beiden Ländern bestehen, die sich aus illegaler mexikanischer Einwanderung und dem Drogenhandel ergeben. Motor der Einwanderung sind die ländliche Armut in Mexiko sowie der Bedarf an billiger und rechtloser Arbeitskraft in Amerika.