Das war Bitter

Beim Barte des Heiner: Nach 1978 wird die bundesdeutsche Handballauswahl zum zweiten Mal Weltmeister. Im Finale gewinnt das Team dank des Magdeburger Torwarts gegen Polen mit 29:24

„Am Anfang dachte ich: Oh Scheiße, du kommst nicht rein ins Spiel“

AUS KÖLN ANDREAS RÜTTENAUER

Sie haben sich gedrückt, gelacht und geweint. Die deutschen Handballer haben das Finale der WM gegen Polen mit 29:24 gewonnen. Die Spieler trugen Trainer Heiner Brand übers Spielfeld, klatschten sich immer wieder ab. Sie waren müde, sie waren erschöpft – und glücklich. Am Ende eines mit zehn Spielen beinahe unmenschlich langen Turniers wurde in Köln ganz großes Gefühlstheater geboten. Denn Deutschland ist Weltmeister.

Was als Party begann, drohte zwischenzeitlich zu einer Tragödie zu werden. 35 Minuten waren gespielt, da verletzte sich der auch im Finale wieder einmal überragende Henning Fritz am Fuß, musste ausgewechselt werde. Die Deutschen standen unter Schock. Ein Riesenvorsprung schmolz mehr und mehr dahin – bis Johannes Bitter, der Ersatztorhüter, den ersten Ball abwehrte. Ein neuer Held war geboren. Was während des Turniers immer wieder geschah, wiederholte sich auch im Endspiel. Beinahe jedes Spiel gebar einen neuen Heroen. Im letzten Spiel nahm Bitter diese Rolle ein. Seine Gestik nach dem Ende der Partie war eindeutig: „Ich habe es euch gezeigt“, schienen seine geballten Fäuste zu sagen.

Die Deutschen haben sich in einen wahren Trotzrausch gespielt in den zwei WM-Wochen. Nach ihren Toren, nach den Siegen haben sie mit verzerrten Gesichtern gejubelt, die Fäuste geballt, die Muskeln angespannt. Ausgelassene Freude war das nicht, es waren Kampfschreie, die sie nach jedem ihrer Erfolge ausstießen. Natürlich hatten sie mitbekommen, dass ihnen vor der WM nicht so viel zugetraut worden war. Florian Kehrmann wurde regelmäßig belächelt, weil er auch nach den schwachen Auftaktpartien nicht müde wurde zu betonen: „Klar wollen wir Weltmeister werden! Was sonst?“ Als mit dem Hauptrundensieg gegen Frankreich die erste Überraschung gelungen war, da sagte Michael Kraus: „Wir haben gewusst, dass wir es können. Wir spielen das doch im Training auch durch.“ Ein anderer Jungspund, Dominik Klein, meinte nach dem Sieg gegen Weltmeister Spanien: „Was wollt ihr eigentlich? Es ist doch nicht so, dass wir es nicht können.“

Die deutschen Handballer haben den Beweis angetreten, dass sie mithalten können mit den Stars aus Spanien, Kroatien und Frankreich – und dass sie die polnischen Rückraumriesen in Schach zu halten verstehen. Sie haben gezeigt, dass sie mindestens genauso gut sind, wie ebenjene Spieler aus dem Ausland, die ihnen von den Vereinstrainern in der Bundesliga oftmals vorgezogen werden.

Wenn sie sich vom WM-Stress erholt haben, werden sie mit breiter Brust in der Liga auftreten. Was ihnen in den großen deutschen Clubs oft verwehrt wird, haben sie bei der WM zeigen dürfen – bestens vorbereit von Bundestrainer Heiner Brand, dem Weltmeistertrainer.

Nach zwei Wochen WM, nach zehn harten Spielen konnten die Deutschen endlich ihrer Freude freien Lauf lassen und sich dem Rausch hingeben. Mit güldenen Pappkronen und aufgeklebten Heiner-Brand-Bärten schritten die Spieler zur Siegerehrung. Lächerlich wirkten sie nicht.