SPD vor einem spannungsgeladenen Parteitag

■ Partei diskutiert über Wehrpflicht und Bezirksreform. Reizthema Finanzen

Die SPD steht vor einem heißen Wochenende. Auf dem heute abend beginnenden Landesparteitag reiht sich ein Reizthema an das andere: Die Diskussion über die von den Jusos verlangte Abschaffung der Wehrpflicht rührt ans SPD-Herz einer „demokratischen Armee“. Bei der Bezirksgebietsreform, die morgen debattiert wird, haben sich die Sozialdemokraten in eine Sackgasse manövriert. Jederzeit könnte auch die spannendste Frage hochkochen: Wie die Partei es mit dem Kürzungsprogramm ihrer Finanzsenatorin hält.

Der Konsolidierungskurs von Berlins Kassenwartin Annette Fugmann-Heesing (SPD) fand zwar beim Januar-Konvent eine Mehrheit. Er wirke sich inzwischen auch auf die Wählerstimmung aus. So jedenfalls werden in der Partei vorsichtig optimistisch die jüngsten Meinungsumfragen gewertet, nach denen die SPD im Juli erstmals wieder vor der CDU lag (SPD 31 Prozent, CDU 28 Prozent). Dennoch rumort es: Personalräte und Gewerkschafter sind sauer, daß die Finanzsenatorin kein Ohr für sie hat. Und parteilinke Kritiker halten den Kürzungskurs für kopflos: „Seit einem Jahr wird das gleiche diskutiert – Konzeptionslosigkeit“, beschwert sich der Jusovorsitzende Matthias Linnekugel.

Dabei ist es ganz anders, als Linnekugel denkt. Konzepte gibt es – bloß diskutieren darf sie der Parteitag nicht. Etwa ein Papier von Fugmann-Heesing, das Gegenstand einer Strategiesitzung am vergangenen Wochenende war (siehe taz von gestern). Den Delegierten liegt das Papier nicht vor. Während die Finanzsenatorin ihre Sparbemühungen deutlich forciert, darf sich die Sozialdemokratie in der Kongreßhalle über Wehrpflicht und Bezirksgliederung die Köpfe heiß reden.

Mancher Genosse ist's zufrieden, daß nicht schon wieder das Geld im Mittelpunkt steht. Aber den links liegengelassenen, allen voran der Gewerkschaft ÖTV, fällt kein gutes Wort mehr „zum Thema Fugmann-Heesing“ ein. Bei der Personalversammlung der Wasserbetriebe stand die Finanzsenatorin, obwohl nicht anwesend, im Zentrum von Kritik, ja Spott. Die Herforderin habe sich in kleinteilige Chefgespräche im Senat verkeilt – und übergehe dabei völlig ihre eigene Partei, die sie doch modernisieren will.

Weitaus mehr Unmut kommt auf die Parteispitze beim Thema Bezirke zu. Im Januar hatten die SPDler „tiefgreifende Strukturänderungen gegen einen Staatsbankrott“ beschlossen. Nun werden sie in die Kongreßhalle bestellt, um die Januar-Beschlüsse anzupassen. Damit nichts schiefläuft, hat die Parteizentrale eine Synopse angefertigt, die festhält, was die Partei gegen den Staatsbankrott beschlossen hatte und was davon umgesetzt wurde. Die erklärungsreiche Erfolgsbilanz („Verwaltungsreform unumkehrbar auf den Weg gebracht“) wird von kritischen SPDlern „als Frechheit“ abgetan.

Konkret werden die Delegierten das 12er-Modell der Bezirksreform absegnen. Gleichzeitig werden sie verlangen, daß die Bezirke mehr Zuständigkeiten erhalten. Das soll in einem Gesetz stehen, das am gleichen Tag wie die Bezirksreform im Parlament verabschiedet wird. Gelingt dies, könnte sich die SPD ein ganzes Reformpaket als Erfolg gutschreiben. Scheitert es, steht die SPD mit leeren Händen da. Christian Füller