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Ost-West-Wackelpudding

Zwischen Hollywood und Honecker: „Playnjet Honnywood“ ist der letzte Schrei in der Erlebnisgastronomie – glücklicherweise weit draußen in Basdorf  ■ Von Jens Rübsam

Man verläßt Berlin gleich hinter Pankow, taucht in wonnegrüne Wälder, streift ein Dorf namens Schönerlinde und ein Dorf namens Schönwalde, dann kommt man nach Basdorf, fährt rechts an graugemusterten Betonklötzern vorbei, erhascht ein Schild am Zaun „Landespolizeischule und Landeskriminalamt“, links leuchtet eine Esso-Tankstelle auf, gleich dahinter eine aufgemöbelte Holzbude „Lolas Pizzastube“, man fährt noch ein Stück weiter, immer an der Polizeischule entlang, biegt kurz danach ab in den Fliederweg, an der Ecke dümpelt ein Imbißwagen „Asia-Spezialitäten“, der schon geschlossen hat, man sucht einen Parkplatz, am Rande des märkischen Sandweges, was eine Weile dauert, was aber nicht schlimm ist. Man hat Zeit, sich einige Fragen zu stellen. War das nicht Honecker, der da an der Ecke tippelte? War da nicht ein Schild, auf dem „Honnywood“ stand? Und „Playnjet“? Und „U-Boot“?

Man steigt also aus. Läuft auf den Platz an der Ecke – eine tattrige Hand schlägt einem entgegen, drei Worte fallen: „Freundschaft!“ und „Seid bereit!“ Wo bin ich? In Honnywood! Restaurant und Erlebnisgastronomie. Der neueste Schrei im märkischen Sand.

Man läßt also Kurt Schmidt-Honecker sächseln: „Bin in Leipzig geboren. Habe in Nürnberg beim Club gespielt. Meine erste Frau ist verstorben. Stand auf einmal allein da, mit fünf Kindern. Ein Junge ist in Bitterfeld umgekommen, bei einer Explosion. War schon bei Ilona Christen. Und bei Arabella. Nehme jedesmal zwei, drei Kilo ab, wenn ich Honny double.“

Schmidt spielt Honny: „Freundschaft!“ und „Seid bereit!“ und Winken in Pose eines Staatsratsvorsitzenden. Dann tippelt er ins „Honnywood“ zum Büffet, nimmt zwei halbe Eier mit Kaviar und ein wenig Kartoffelsalat. Als Nachschlag holt er sich ein Stück Camembert.

Das erste, was man von „Honnywood“ sieht, ist eine schwere braune Tür, an der Klinke hängen drei Drospa-Luftballons. Man geht durch diese Tür, ein wenig unsicher, was da kommen mag. Man steht plötzlich in einem hellem Raum mit rotgepolsterten Metallstühlen, grauen Tischchen, einer langen, langen Theke, blaugefließt. Von den Wänden glotzen Bullaugen, auf den Hockern vor der Theke lungern bullige Männer mit roten Armbinden, „Helfer der Volkspolizei“. Einer sagt Erlebnisgastronomie zu dem Raum, in dem er sitzt. Ein anderer sagt „U-Boot“. Eine lange Geschichte.

„1963 muß es gewesen sein“, sagt Manfred Hoffmann, der ehemalige Betreiber der Basdorfer Gaststätte „Waldfrieden“. Offiziere und Unteroffiziere der Bereitschaftspolizei, die sich in der Kaserne hinter dem „Waldfrieden“ auf den Krieg vorbereiteten, verpraßten ihre Zeit und ihr Geld in Hoffmanns Kneipe. Und eines Tages, 1963, spielten sie ein Spiel im Rausch: „Alles Abtauchen unter die Tische!“ kommandierte ein Offizier die Untergebenen. Alles tauchte ab. Fortan wurde der „Waldfrieden“ – Hoffmann: „Ausspannung mit Restauration“ – nur noch „U-Boot“ genannt.

U-Boot also. Marc Bittner, Westberliner, Vorsitzender eines Ringervereins und Inhaber von „Playnjet Honnywood“, wollte „anknüpfen an die U-Boot-Tradition“. Und zudem was Neues schaffen, für „Leute von zwanzig bis achtzig“. Ein bißchen Honny, ein bißchen DDR und ein bißchen Hollywood.

Man schwimmt also durchs U-Boot. Kommt in einen Mittelgang, vollgepflastert mit Postern von Brad Pitt, Arnold Schwarzenegger und Tom Cruise und ein paar verstaubten Fotos vom Potsdamer Platz 1932 und der Friedrichstraße bei Nacht, „alles Sachen vom Trödelmarkt“. Eine FDJ- Fahne schlafft noch im Raum, FDJ-Grundorganisation, „VEB Einzelhandel, Waren Täglicher Bedarf, Betriebsteil Treptow“ steht drauf. Man beeilt sich.

Und ist in einem Ost-West- Wackelpudding, links Honnywood, rechts Hollywood. Links ein rotes Banner einer Betriebsgruppe, davor das Bild eines Soldaten, der über Stacheldraht rennt. Daneben die Bühne, ummauert und mit einem Mauer-Bild. Elvis schaut drüber, und ein paar andere schauen auch. An der Ecke zur Herrentoilette steht ein echtes Honecker-Bild, strahlendblauer Hintergrund, neben der Tür hängt ein Thälmann-Wandteppich.

Rechts, in Hollywood, lüstelt die Freiheitsstatue auf einem Sockel, von den Wänden blicken smarte Hollywood-Sternchen. Man beeilt sich. Und denkt an die Worte von Kurt Schmidt-Honny, der gerade noch gesagt hat: „Draußen ist es am schönsten. Die frische Luft.“

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