Boomendes Blech in Wort und Wagen

■ Die IAA prahlt mit Wachstum, neue Straßen sollen per Vignette bezahlt werden. Forscher warnen vor Dauerstau

Frankfurt/Berlin (dpa/taz) – In Wiesbaden kommen auf 1.000 Einwohner 723 Autos – das ist bundesdeutscher Rekord. Im Gesamtdurchschnitt entfällt „nur“ ein Auto auf zwei Bundesbürger; ganz genau sind es 506 je 1.000 Einwohner. Diese beklagenswerte Unterversorgung soll allerdings bald ein Ende haben, wenn es nach den Vorstellungen von Bernd Gottschalk geht, seines Zeichens Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).

Bei der Eröffnung der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) gestern in Frankfurt formulierte er die Hoffnung seiner Branche fürs kommende Jahr: „Die Weichen sind auch für die Autokonjunktur 1998 positiv gestellt.“ Künftig wird nach seiner Einschätzung der Absatzboom auch wieder verstärkt von der Binnennachfrage getragen, während in den zurückliegenden Jahren die Branche vor allem von der guten Nachfrage im Ausland nach fahrbarem Blech Made in Germany profitierte.

Während in Frankfurt Fach- und LaienbesucherInnen allerneuste technische Finessen bewundern und den neuen Stolz der Deutschen Autofirmen zu spüren bekommen, warnt der Präsident des Berliner Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Rolf Kreibich, vor dem drohenden Verkehrskollaps. Gehe die Entwicklung so weiter wie bisher, gebe es im Jahr 2010 bei Personenautos etwa 40 Prozent mehr Verkehr, bei Lastwagen etwa 80 bis 100 Prozent. Kreibich forderte eine Erhöhung der Benzinpreise. „Wir können es uns nicht mehr leisten, daß wir so riesige Pendlerströme noch subventionieren.“ Er kritisierte, daß sich die Autohersteller in den letzten Jahren vor allem auf Rationalisierungen und weniger auf ökologische Fahrzeuge konzentriert hätten.

Auch Kanzler Kohl streifte in einer Rede anläßlich der IAA- Eröffnung das Thema Ökologie. Angesichts steigender Verkehrsdichte sei es wichtig, Wirtschaft und Umweltschutz miteinander zu versöhnen, sagte er. Wie das aussehen könnte, sagte er leider nicht.

Dafür machte der CSU-Bundestagsabgeordnete Dionys Jobst einen neuerlichen Vorstoß in Richtung Autobahnvignette. Bei einer Jahresgebühr von 100 Mark pro Vignette könnten damit zweckgebundene Einnahmen von zwei bis drei Milliarden Mark erzielt werden. Und möglicherweise würde sich der Autoverkehr auch so ein wenig reduzieren lassen. gg