Unternehmer: 610-Mark-Jobs nicht verändern

■ Selbständige, Handwerker und FDP gegen Einschränkung der geringfügigen Beschäftigung

Berlin (taz) – Die FDP hat Mitstreiter gefunden. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat die von der Union geplanten Einschränkungen bei den 610-Mark-Jobs abgelehnt. Als „Ende der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse“ bezeichnete ZDH-Präsident Dieter Philipp die Einführung einer Versicherungspflicht. Wer verhindern wolle, daß die Zahl von 610-Mark-Jobs zunehme, müsse sich für eine Senkung der Abgabenlast stark machen, so Philipp.

Der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff erinnerte die Union an die Koalitionsvereinbarung, „an der nichts geändert werden sollte“. Mit Blick auf die Schäuble-Rede in Leipzig sagte Lambsdorff: „Es kann nicht angehen, daß das auf dem CDU-Parteitag als beschlossene Tatsache verkündet wird.“ Zuvor hatten bereits der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt und Generalsekretär Guido Westerwelle die Unionspläne kritisiert. Die Einschränkung der Versicherungsfreiheit bei Billigjobs würde nur Schwarzarbeit fördern. Gerhardt warnte die Union, ihr Vorhaben gemeinsam mit der SPD durchzusetzen. „Dann fielen uns auch viele Gesetzgebungsvorhaben ein, die mit anderen verwirklicht werden könnten“, drohte er.

SPD, Bündnisgrüne und Gewerkschaften haben der Union Unterstützung bei einer Reform angeboten.

Bisher sind Beschäftigungsverhältnisse, in denen die Arbeitnehmer höchstens 610 Mark monatlich verdienen (Osten: 520 Mark), sozialversicherungsfrei. Lediglich eine pauschale Lohnsteuer von 20 Prozent wird fällig, diese zahlen die Arbeitgeber und ziehen sie zumeist nicht mehr vom Lohn ab. Ein sozialversicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis schlägt somit bei den Arbeitgebern mit rund 740 Mark zu Buche. Würde man die geringfügigen Jobs der Sozialversicherungspflicht unterwerfen, dann müßten die Arbeitgeber monatlich mehr als 1.000 Mark plus Lohnsteuer zahlen, damit die Beschäftigten weiterhin mit 610 Mark netto nach Hause gehen könnten.

Fast ein Drittel der sozialversicherungsfreien Jobs finden sich in Privathaushalten, ein Sechstel bis ein Fünftel in der Gastronomie, dann folgt der Einzelhandel. Im Einzelhandel hätten viele Arbeitgeber kaum die Möglichkeit, höhere Kosten zu tragen, erklärte Thomas Bade, Arbeitsrechtsexperte beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). Die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer warnte, zwei Drittel der Unternehmer würden bei Einführung einer Sozialversicherungspflicht die bestehenden Billigjobs streichen. ua/BD