Indischer Vorreiter für nachhaltige Entwicklung

■ Poona engagiert sich im Rahmen der Agenda 21. Bremen hilft der Partnerstadt

Poona (taz) – Mit Atemschutzmasken kann man hier ausgesprochen gute Geschäfte machen. Immer mehr ZweiradfahrerInnen und Schutzmänner schnallen sich eine der weißen Plastikkappen vor Mund und Nase, bevor sie sich ins Verkehrschaos stürzen. Die Atemluft in Poona, Indiens achtgrößter Stadt, die südöstlich von Bombay liegt, wird täglich mit 720 Tonnen Schadstoffen belastet. Etwa siebzig Prozent davon strömen aus den Auspuffrohren, denn die Zahl der Motorfahrzeuge steigt hier ständig.

Ein kleines Gerät aus Deutschland soll nun Abhilfe schaffen: Probeweise in zwei der über 800 städtischen Busse eingebaut, verbessert ein „elektronischer Dieselprozessor“ den Wirkungsgrad der technisch veralteten Motoren. „Dadurch sinkt nicht nur der Kraftstoffverbrauch, auch der Ausstoß von Dieselruß sinkt um bis zu 45 Prozent“, erklärt der Bremer Klaus Michel, der die Stadtwerke von Poona berät.

Nur ein Beispiel dafür, wie Poona eine nachhaltige Stadtentwicklung erreichen will. Viel mehr bleibt aber noch zu tun in den Bereichen Abfallentsorgung und Abwasserreinigung, Luftverschmutzung, Energieerzeugung, industrieller Umweltschutz und Wiederaufforstung. Diese sechs Schwerpunkte wurden vor zwei Jahren während einer Umweltkonferenz im Rahmen der 1992 in Rio de Janeiro verabschiedeten Agenda 21 als vordringliche Aufgaben ausgemacht.

Poona spielt in Indien eine Vorreiterrolle in der Formulierung lokaler Pläne zur nachhaltigen Entwicklung, wie sie die Agenda 21 den Kommunen weltweit empfiehlt. Gefördert und angestoßen wurde dieser Prozeß durch die Unterstützung aus der deutschen Hansestadt Bremen, die seit 21 Jahren mit Poona partnerschaftlich zusammenarbeitet. „Vor meinem Besuch in Bremen im vergangenen April hatte ich keine Ahnung von der Agenda 21“, gesteht Poonas Bürgermeisterin Vandana Chavan. „Nun will ich die Idee hier verbreiten. Solche Lernprozesse über einen Erfahrungsaustausch erscheinen mir wichtiger als finanzielle Hilfen.“

Die Zusammenarbeit zwischen der indischen und der norddeutschen Stadt begann mit einer privaten Initiative. 1976 wählte die Kinderhilfsorganisation „Terre des hommes“ Poona für ein Programm zur Unterstützung behinderter Kinder aus. Wenig später begann die Bremer Entwicklungsagentur Borda mit dem Bau von Biogasanlagen in den Dörfern am Stadtrand. 1980 wurde mit dem „Forum Städtesolidarität Bremen – Poona“ die Keimzelle für die Partnerschaft gelegt. Ein Kooperationsvertrag zwischen den Universitäten beider Städte kam 1983 zustande. Sieben Jahre später stellten auch die Handelskammern von Bremen und Poona ihre Zusammenarbeit auf eine vertragliche Ebene.

Mittlerweile sind mit Bremer Hilfe zehntausend Biogasanlagen in Poona und Umgebung entstanden. Fünf Bremer Firmen arbeiten mit Betrieben in Poona als Joint- ventures zusammen, der indische Unternehmerverband CII hat in Bremen sein Deutschland-Büro eröffnet. In diesen Tagen besucht Henning Scherf als erster Bremer Bürgermeister die indische Partnerstadt, besichtigt bis zum Wochenende Entwicklungsprojekte und führt Gespräche mit Politikern und Unternehmern.

Bremen will Poona in den kommenden drei Jahren etwa drei Millionen Mark für Projekte im Rahmen der Agenda 21 zur Verfügung stellen. Während der Festreden und Beratungen leuchtet immer wieder ein Schlagwort aus der Agenda 21 auf: Bürgerbeteiligung. In Bremen durch regelmäßige „Runde Tische“ fest etabliert, gewinnt dieses Konzept auch in Poona Anhänger. Bislang hat sich die Stadtverwaltung jedoch wenig sensibel verhalten, wenn Bürger etwa gegen das Fällen von Bäumen zur Verbreiterung der Straßen protestierten. Aktueller Fall: Für die Anlage eines nach deutschem Vorbild modellierten „Platzes der Freundschaft Poona – Bremen“ mußten mehr als ein Dutzend Bäume ihr Leben lassen. Rainer Hörig