Das Portrait
: Ordensschwester als Frau des Jahres

■ Lea Ackermann

„Lieber Gott, laß mich nicht hängen“: Lea Ackermann Foto: Media res

Schwester Lea Ackermann lebt mit zwei achtjährigen Kindern in der Pfarrei von Hirzenach bei Pater Köster. Was fast aussieht wie eine ganz normale Familie, ist aus Leas Arbeit mit Prostituierten und Frauen in Not entstanden. Die Mutter von Tabi stammt aus Sri Lanka, die Mutter von Nene kommt aus Malaysia. „Wir haben für die Kinder, die hier zur Welt kamen und wenn die Mütter was lernen wollten, Tagesmütter gesucht. Und bei diesen beiden Kindern wurde ich es halt.“

Entstanden ist daraus eine Art Großelternverhältnis ohne Besitzansprüche, so nennt Schwester Lea es, oder auch eine späte Mutterfreude. Vor 40 Jahren wollte Lea all das nicht. Damals ging die Saarbrückerin gern tanzen, machte eine Lehre in der Bank und sollte in das Baugeschäft ihres Vaters einsteigen. Sie hatte mit sich etwas Größeres vor, sie suchte den Kontakt zu Menschen und das Abenteuer. Und das fand sie beim Orden der „Missionsschwestern unserer lieben Frau von Afrika“. Ihre Familie war entsetzt. Doch sie hielt die harte Erziehung im Kloster durch. In Afrika brauchten die Nonnen die Härte gegen sich selbst fürs Überleben. Hartnäckig verfolgt Lea Ackermann bis heute, was sie sich in den Kopf setzt. „Widerstand fordert mich eher heraus.“

Mit der Weltfrauenkonferenz in Nairobi begann vor 13 Jahren der Teil ihres Lebens, für den Schwester Lea Ackermann heute als Frau Europas für das Jahr 1998 ausgezeichnet wird – der Preis wird seit 1991 von der „Europäischen Bewegung“ an Persönlichkeiten verliehen, die sich um die europäische Integration und Völkerverständigung verdient machen. In Kenia begann Lea Ackermann, sich um Frauen zu kümmern, die von den Sextouristen ausgebeutet wurden. „Ich wollte einfach nur wissen, wie sie ihre Lebenssituation empfinden. Ich war angewidert vom Verhalten der Sextouristen.“

Bei Lea Ackermann lernten die Frauen, Brot für die Hotels zu backen, Schmuck herzustellen und zu vertreiben. Oder auch Schreibmaschineschreiben. Bei „Solwodi“, ihrem Verein, standen die Prostituierten zu Hunderten an, um aufgenommen zu werden. 1987 gründete Lea den Verein „Solwodi“ auch in Deutschland. „Ich bete sehr viel“, beschreibt sie ihre Arbeit, „und sage: Menschenskind, lieber Gott. Das sind deine Leute. Jetzt laß mich bloß nicht hängen.“ Sibylle Plogstedt