Politische Tricks und verwaltungsrechtliche Kniffe

■ Das Bundesinnenministerium versucht mit allen Mitteln, Kritik an der Asylcard zu verhindern. Ob Chipkarten als Technologie geeignet sind, soll ausgerechnet eine Chipkartenfirma prüfen

Ein so brisantes Thema wie die Asylcard blieb in der öffentlichen Debatte über Asylpolitik weitgehend unbeachtet. Das ist nicht dem Zufall zuzuschreiben, sondern geschicktem Politikmanagement. In den 80er Jahren hatten die Pläne für die Volkszählung eine bundesweite Protestbewegung gegen staatliche Sammelwut bei elektronisch gespeicherten Daten ausgelöst. Offenbar hat das Bundesinnenministerium daraus seine Lehren gezogen: Die Entscheidung, bei der totalen Erfassung von Asylbewerbern auf eine Chipkartenlösung zu setzen, fiel abseits der Bonner Kameras in einem Beamtengremium mit dem harmlosen Titel „Bund/Länderarbeitsgruppe zur Harmonisierung der Verwaltungsabläufe im Asylverfahren.“ Die Landesdatenschutzbeauftragten der Länder, die dem staatlichen Informationshunger traditionell skeptisch gegenüberstehen, gehören dem Gremium nicht an. „Statt die Notwendigkeit und die konkrete Ausgestaltung dieser Asylcard in einem öffentlichen parlamentarischen Forum zu erörtern, wird die grundsätzliche Notwendigkeit der Karte durch eine rechtlich nicht vorgesehene informelle Arbeitsgruppe unterstellt“, heißt es in einem internen Gutachten des niedersächsischen Datenschutzbeauftragten.

„Da wird versucht, die Kritik solange unterm Deckel zu halten, bis die Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen gestellt werden kann“, sagt Thilo Weichert, der Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Datenschutz. Der entscheidende Trick beim Versuch, Fakten zu schaffen, sei dem Bonner Gremium mit dem Beschluß gelungen, zur Asylcard eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Bis spätestens 30. April 1998 soll das Ergebnis vorliegen. Offiziell ist die Studie zwar „ergebnisoffen“, wie es im Beamtenjargon heißt, doch ein Blick in den Anforderungskatalog des Innenministeriums zeigt das Gegenteil: Untersucht wird nicht, ob eine Asylcard auf juristische, sozialpolitische und technische Hürden stößt, sondern wie die Hürden überwunden werden können. „Die Prüfung und Bewertung soll sich nicht ausschließlich an den derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen orientieren“, steht in dem Katalog. Und: „Aufzuzeigen sind mögliche verfassungsrechtliche Probleme sowie die entsprechenden Lösungsmöglichkeiten.“ Berlins Datenschutzbeauftragter Garstka sieht darin „eine Aufforderung, das Grundgesetz nicht als Tabu zu sehen. So was ist verwerflich – darüber sollte man eigentlich gar nicht nachdenken!“

Ginge es wirklich um eine reine „Harmonisierung von Verwaltungsabläufen“, wie vom Innenministerium behauptet, dann hätten erst die Probleme in der Verwaltung identifiziert werden müssen, findet Garstka. „Statt dessen sagte man sich offenbar: So, wir haben die Chipkartentechnologie, wir haben die Computer, jetzt schauen wir mal, was man damit Schönes machen kann.“

Das wohl pikanteste Detail in der Reihe der politischen Tricks und verwaltungsrechtlichen Kniffe, mit denen die Asylcard durchgedrückt werden soll, ist die Auswahl der Firma Orga Consult in Paderborn als Koordinator der Machbarkeitsstudie. Wie taz-Recherchen ergaben, ist Orga Consult eine hundertprozentige Tochter der Unternehmensgruppe ORGA Kartensysteme GmbH, einem international operierenden Anbieter von sogenannter Smartcard-Technologie, also prozessorgesteuerter Chipkarten, wie sie für die Asylcard vorgesehen sind. Die Tochterfirma Orga Consult erklärte gegenüber der taz, sie sehe keinen Interessenkonflikt.

Wie eine mögliche Asylcard aussehen sollte, läßt sich bereits im Internet nachlesen. Dort wirbt die Unternehmensgruppe ORGA mit dem Versprechen: „Wir entwickeln, produzieren, liefern, installieren und betreuen Smartcard- Lösungen weltweit.“