Ostafrika versinkt im Regen

Schwere Überflutungen bringen Kenia und Tansania an den Rand des Kollapses. Wenn der grenzüberschreitende Handel zusammenbricht, leidet ganz Ostafrika  ■ Von Dominic Johnson

Urlauber, die im Serengeti-Nationalpark an der Grenze von Tansania und Kenia Giraffen und Elefanten bestaunen wollen, genießen dieser Tage besondere Privilegien. Sie müssen sich nicht mehr über beschwerliche Straßen quälen, sondern werden per Charterflug direkt aus Arusha in ihre Lodges gebracht. Die Kosten – 320 Dollar (600 Mark) – übernimmt die zuständige Serena-Hotelgruppe. Der Grund: Nach wochenlangen schweren Regenfällen ist auf der Straße zu den Touristenmagneten Serengeti und Ngorongoro-Krater mit normalen Fahrzeugen kein Durchkommen mehr.

Weil trotzdem weniger Gäste kommen, rechnet Tansanias Tourismusindustrie nun aber mit 34 Millionen Dollar Mindereinnahmen – zehn Prozent der erwarteten Einnahmen aus dem Tourismus dieses Jahr, und zugleich deutlich mehr, als es kosten würde, die Straße zu reparieren. Das sollte die Weltbank eigentlich letztes Jahr für 25 Millionen Dollar erledigen, aber die Regierung Tansanias erfüllte nicht die verlangten Kofinanzierungsbedingungen.

Das ist nur ein Nebeneffekt der überdurchschnittlichen Regenfälle, die im November in Somalia ihren Anfang nahmen und inzwischen ganz Ostafrika bis hinein in den Kongo heimsuchen. Tansanias staatliche Eisenbahn stellte Mitte Dezember den Verkehr ein und ließ 20.000 Reisende an diversen Bahnhöfen zurück. Die meisten Straßenverbindungen und Grenzübergänge des Landes sind unpassierbar, zumeist, weil Brücken von reißenden Flüssen weggespült wurden. Nahrungsmittel können nicht mehr transportiert werden. In der Hauptstadt Daressalam haben sich die Lebensmittelpreise schon verdoppelt.

Die wichtigste Verkehrsader Ostafrikas, die quer durch den Süden Kenias von der Hafenmetropole Mombasa durch die Hauptstadt Nairobi nach Uganda führt, ist lahmgelegt: Gleich hinter dem Grenzübergang von Kenia nach Uganda ist eine Brücke in einen Fluß gefallen, und seit Wochenanfang stauen sich hier Hunderte von Lastwagen. Das Nadelöhr, durch das so gut wie alle Importgüter aus Übersee für Uganda, Ruanda, Burundi und den Osten Kongos hindurchmüssen, ist verstopft.

Während in ganz Kenia Straßen und Häuser im Regen verschwinden, begnügen sich die Behörden bisher mit Überlegungen, an gefährlichen Ecken Warnschilder aufzustellen. Auch sonst ist die Regierung ziemlich passiv angesichts der größten Flutkatastrophe seit Jahrzehnten, die die Perspektiven einer wirtschaftlichen Erholung zunichte zu machen droht. Sie hofft, daß der Internationale Währungsfonds bald seine im Juli 1997 wegen Korruption suspendierten Kredite für Kenia wieder freigibt. Aber Teile der für den Export wichtigen Tee- und Kaffeernte sind bereits zerstört, der Reis- und Getreideernte droht das gleiche Schicksal. „Die erwartete Getreideknappheit ist kein besonders gutes Zeichen für ein Land, das seit der schlechten Ernte vor zwei Jahren beträchtliche Mengen an Getreide importiert“, kommentierte gestern die Tageszeitung The Nation und schlug vor, die Regierung möge sich doch überlegen, Getreidereserven anzulegen.

Meteorologen warnen, daß die Regenperiode noch bis April dauern und dann in eine schwere Dürre münden könnte. Dann müßte Ostafrika nicht nur die letzte Ernte abschreiben, sondern auch die nächste.