Laß uns über Sex plappern!

■ Monika Treuts allzu wohlwollendes Porträt „Didn't Do It For Love“

Wenn es darum geht, außergewöhnliche Frauen vor die Kamera zu holen, besitzt Monika Treut zweifellos Talent. In „Female Misbehaviour“ zum Beispiel blickte sie tief in die Vagina der Performance-Künstlerin Annie Sprinkle, gönnte der umstrittenen Camille Paglia viel Platz für deren Lieblingsbeschäftigung, das Bashen von Feministinnen, und ließ eine S/M-Lesbe auftreten, die sich über Ausgrenzung durch die Blümchensex-Fraktion beschwert.

Treuts jüngste Dokumentation, „Didn't Do It For Love“, arbeitet sich am selben Themenkomplex ab. Im Mittelpunkt steht Eva Johanne Chegodaieva Sakonskaja alias Eva Norvind alias Ava Taurel. 1944 in einer norwegischen Kleinstadt geboren, landete Eva noch als Kind in New York. Mit 17 ging sie auf eigene Faust nach Mexiko, wo sie bald zum Sex-Symbol Nr. 1 avancierte. Sie hatte eigene Revuen, spielte in Filmen, spazierte kaum bekleidet durchs Zentrum der Hauptstadt, verdingte sich als Edelprostituierte. Weil sie im Fernsehen die Benutzung von Verhütungsmitteln predigte, hätte man sie beinahe des Landes verwiesen. In den Siebzigern kehrte sie nach New York zurück, schlug eine Karriere als Domina ein, leitete S/M-Workshops, bis sie schließlich die praktische Sex-Arbeit aufgab, um Kriminalpsychologie zu studieren.

Die Geste stolzer Selbstbehauptung und die lautstarke Forderung nach selbstbestimmter Sexualität sind aus Norvinds Biographie genausowenig wegzudenken wie aus Treuts Filmen. Doch was in den frühen Neunzigern noch Aufsehen erregte, hat heute längst an Wirkung eingebüßt. Im Nachmittagsprogramm der Privatsender sind sexuelle Devianzen und intimste Details bevorzugte Gesprächsthemen. Der emanzipatorische mag dabei einem sensationalistischen Gestus weichen: eine Entwicklung, an der Filme wie die Treuts nolens volens teilhaben. Denn indem sie versuchen, in aufklärerischer Absicht über Sexualität zu sprechen, bereiten sie den Boden für das Geplapper der Talkshows. Trotzdem könnte sich „Didn't Do It For Love“ zu einem kontroversen Porträt mausern – wäre da nicht das uneingeschränkte Wohlwollen, das Monika Treut ihrer Protagonistin entgegenbringt. Kritik wird, wenn überhaupt, nur aus deren Munde laut. Alle übrigen Interviewpartner sind Freunde der Norvind, ihre Erinnerungen von Bewunderung durchtränkt. Was jenseits der persönlichen Lebensumstände liegt, wird erst gar nicht erwähnt. So verliert Norvind über die Umbruchsstimmung, die Ende der sechziger Jahre das politische Klima Mexikos prägte und die im Massaker auf der Plaza de Tlatelolco ein jähes Ende fand, kein Wort.

Hier wie anderswo hätte Monika Treut nachhaken müssen. Sie tut es nicht und verschenkt die Möglichkeiten ihres Sujets. „Didn't Do It For Love“ bleibt an der Oberfläche. Christina Nord

Panorama: heute, 18.15 Uhr, Atelier am Zoo; 14.2., 13.30 Uhr, Filmpalast; 15.2., 11 Uhr, Filmpalast