Im Wendekreis des Geißbocks

Pünktlich an einem Freitag dem 13. wird der ruhmreiche 1. FC Köln stolze 50 Jahre alt und feiert das Ereignis mit dem zünftigen Abstiegsduell gegen den HSV  ■ Von Max Annas und Ralph Christoph

Köln (taz) – Vergangene Woche wurden in der Kölner Presse die neuen Trikots vorgestellt, in denen der „1. Fußball-Club Köln 01/07“ heute, am Abend seines 50. Geburtstags, im Heimspiel gegen den HSV zum ersten Mal auflaufen wird. Einhelliger Beifall allenthalben, handelt es sich doch um die nur sanft modifizierte Kopie jener wunderschönen Hemden, in denen 1968 der erste Pokalsieg der Vereinsgeschichte errungen wurde. Viele Fans mögen ästhetischen Fragen ja eher gleichgültig gegenüberstehen, doch wenn der Klub dieses Jahr tatsächlich absteigen muß, sollte er wenigstens einen schönen Tod sterben.

Am Tag nach der Bekanntgabe beschwerte sich der eng mit dem FC verbandelte Kaufhof-Konzern beim Club: Die Trikots hätten doch eigentlich erst diese Woche in der großen Mutterfiliale in der Kölner Fußgängerzone präsentiert werden sollen, so der mißmutige Einwurf. Aber wundern tut sich über Vorgänge wie diesen schon längst niemand mehr. Es ist eben typisch für das Low-Level-Chaos, das seit geraumer Zeit im Verein herrscht.

Dabei war der 1. FC Köln einmal ein überdurchschnittlich erfolgreicher Fußballverein: Drei Meistertitel und vier Pokalsiege, ein europäisches Finale (verloren gegen Real Madrid), dazu sieben weitere vergeigte Halbfinalteilnahmen in allen drei Euro-Wettbewerben sind mehr, als die meisten Konkurrenten, die sich auf 100-Jahres-Jubiläen vorbereiten, zu bieten haben. Doch die Aufzählung großer Momente und die Formulierung bester Wünsche für die Zukunft wirkt heute deplaziert. 1998 ist der Jubilar, wie auch die Jahre zuvor, Mitfavorit auf einen der drei Plätze, die zum Abstieg in die zweite Liga berechtigen.

Die Gründe: Bis Ende letzten Jahres wurde der Verein innerhalb einer relativ eng umrissenen Clique wie ein lästig gewordenes Hobby weitervermacht. Über 26 Jahre führten ehemalige leitende Mitarbeiter des Kaufhof-Konzerns, denen Job oder Privatleben zu öde geworden waren, den Verein, flankiert von Vertretern aus Industrie und Politik wie Otto Wolff oder Ferdi Mülhens. Am Anfang dieser Entwicklung stand jener Mann, dem man eine bruchlose Bewunderung für Konrad Adenauer nachsagte: Franz Kremer. Er prägte den Stil des Vereins, zwang den Erfolg herbei und schrieb indirekt die logische Erbfolge bis Ende 1997 fest. Stolz sagte er über sich selbst: „Alle nennen mich Boss.“ Kremer hatte die Vision von einem Klub, der nicht unbedingt sympathisch, aber erfolgreich sein sollte.

Vor 50 Jahren, am 13. Februar 1948, wies das Modell 1. FC Köln leuchtend in die Zukunft des Sports. Gegen die Vorortisierung des prämodernen Fußballspiels wurde ein Verein gegründet, der einen stolzen Namen tragen und der erste am Ort sein sollte. Der Klettenberger Ballspiel-Club, gegründet 1901, und die erfolgreichere Spielvereinigung Sülz 07 bildeten das Fundament. Nach einem ersten gescheiterten Anlauf Richtung Oberliga 1948 hieß der letzte zu überwindende Gegner im Jahr darauf Bayer 04 Leverkusen. Die Spiele wurden mit 2:0 daheim und 3:1 auf der anderen Rheinseite gewonnen. Seitdem ist der FC erstklassig. Die 50er waren bestimmt von einem atemberaubenden Aufstieg: 1950 verpflichtete der Club mit dem holländischen Keeper Frans de Munck als erster Verein auf fast professionell arbeitender Basis einen ausländischen Spieler. 1953 erreichte man zum ersten Mal die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft, was von 1958 an immer gelingen sollte. 1960, 1962 und 1963 darf man im Endspiel antreten. Der Höhepunkt dieser Entwicklung ist 1962 der überragende 4:0-Finalsieg gegen den 1. FC Nürnberg.

Die 60er bedeuteten für den Club Stabilisierung, Stagnation und Resignation. Das beste Team dieser Zeit qualifizierte sich 1963 mit Eishockeyergebnissen für das Endspiel, um dort gegen Borussia Dortmund 1:3 zu verlieren. Aber als im selben Jahr die Bundesliga aus der Taufe gehoben wurde, war der FC selbstverständlich dabei.

Die erste Saison sah ihn wieder auf dem Gipfel, man wurde mit deutlichem Vorsprung erster Titelträger. 1964 sicherte sich der FC als erster Bundesliga-Club die Dienste eines Brasilianers. Daß der nicht kicken konnte, nahm man dabei nicht so wichtig.

Beide Meisterschaften führten zu spektakulären Auftritten im Europapokal. Gleich das erste Spiel ging in Dundee mit 1:8 verloren, worauf sich Trainer Tschik Cajkowski wünschte, das Flugzeug zurück nach Köln möge abstürzen. Der zweite Anlauf im Meisterpokal führte zu jenem denkwürdigen Münzwurf, der das Entscheidungsspiel gegen den FC Liverpool auf neutralem Boden in Rotterdam gegen den FC entschied.

Die Legitimationskrise der autoritär-demokratischen Gesellschaft am Ende der Dekade ging nicht spurlos am 1. FC Köln vorbei. Erst am letzten Spieltag der Saison 68/69 verhinderte der FC mit einem 3:0 gegen den amtierenden Deutschen Meister Nürnberg den Abstieg. Kremer war schon 1967 gestorben, eine neue Zeit brach an.

Unter den Bedingungen relativer Entspannung und Toleranz der sozialliberalen Ära wurde der FC mit Overath und Flohe in den 70ern neben Borussia Mönchengladbach zur spielstärksten Mannschaft der Liga. Der erste Millionentransfer brachte 1976 Roger van Gool vom FC Brügge zum FC. In der zweiten Amtszeit des Trainers Hennes Weisweiler gelang 1978 mit dem Double der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Und natürlich war es auch der 1. FC Köln, der schon Anfang der 70er angekündigt hatte, den Gang an die Börse vorzubereiten.

Die 80er wären beinahe als Jahrzehnt der Mediokrität in die Annalen eingegangen, wenn nicht ganz zufällig ein Trainerassistent mit Namen Christoph Daum ans Ruder gekommen wäre. Ein dritter und zwei zweite Plätze standen zu Buche. 1990 dann vollzog sich ein radikaler Bruch. Der Vorstand unter dem geckenhaften Präsidenten Artzinger-Bolten, einem Kommunalpolitiker aus der zweiten Reihe der Kölner CDU, verkaufte neben Thomas Häßler andere Leistungsträger. Bis heute ist nicht klar, wohin das Geld geflossen ist, und Daum wurde während der WM 1990 mediengerecht gefeuert. Von diesem Zeitpunkt an ging es dem 1. FC Köln wie dem restlichen Deutschland auch: Man richtete sich ein in muffig-esoterischer Entrücktheit.

Heute Abend treffen sich mit dem 1. FC und dem Hamburger SV die letzten nie abgestiegenen Gründungsmitglieder der Liga zum Abstiegsderby. Eine Geburtstagsparty wird es wohl nicht werden. Eines jedoch haben die Kölner den Hamburgern noch voraus: anstatt den Alt-Internationalen Overath nach HSVschem Vorbild auf den Präsidentenstuhl zu hieven, haben sie sich für einen ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden aus der Automobilindustrie entschieden, den Ford-Manager Albert Caspers. Aber das ist eine andere, typisch Kölner Geschichte...