Analyse
: Microsoft darf liefern

■ US-Justizministerium will neue Windows-Version nicht blockieren

Bill Gates kann verschnaufen. Der Chef von Microsoft und damit weltweiter Herrscher über die Software für Personal Computer scheint wieder einmal um ein wirklich schmerzhaftes Urteil des US-Justizministeriums herumgekommen zu sein. Das Wall Street Journal berichtete in seiner elektronischen Ausgabe gestern nachmittag, Microsofts neues Betriebssystem Windows 98 könne ungestört im kommenden Juni auf den Markt kommen.

Microsoft darf liefern US-Justizministerium will neue Windows-Version nicht blockieren

Der Clou am neuen Betriebssystem: Das Programm „Internet Explorer“ ist bereits eingebaut. Dem Softwarekonzern zufolge arbeitet das neue Windows gar nicht mehr ohne den Explorer. Laut dem Wall Street Journal hätten „eingeweihte Quellen“ erzählt, der Softwarekonzern aus Redmond im Pazifikstaat Washington müsse lediglich eine zweite Version von Windows 98 herausbringen, die auch ohne den Explorer läuft. Selbst solch kleine Vorschriften hat Gates bisher als schädliche Einmischung in eine innovative Industrie gegeißelt. Doch er wird damit leben können.

Immer wieder gab es Beschwerden von Konkurrenten, daß Gates die Hersteller von Computern zwingt, die Microsoft-Programme gleich vor dem Verkauf auf die Rechner zu installieren, um so der Software-Konkurrenz zusätzlich Marktanteile abzugraben. Diese Gefahr rief das US-Department of Justice auf den Plan – zuletzt im Fall des Internet Explorers. Mit diesem Programm kann unter anderem im weltweiten Web gesurft werden. Hier hatte Microsoft eigentlich die Marktentwicklung verschlafen, der Konkurrent Netscape beherrschte mit seinem eigenen Surf-Programm den Markt. Dann kam der Internet Explorer, gratis und bereits fest installiert auf den meisten Personal Computern. Der Marktanteil von Netscape schrumpfte zusehends, derzeit sind beide Firmen gleichauf. Im Dezember 1997 verpflichtete daher das Justizministerium Microsoft, diese Vorinstallation zu unterlassen. Der Software-Riese reagierte, indem er im Prinzip einfach das Anklick-Symbol des Explorers vom Bildschirm nahm. Die Computerhersteller luden das gut funktionierende Umsonst-Programm natürlich weiterhin von Haus aus auf die Festplatte.

Das Justizministerium war wütend und sprach davon, daß sich Microsoft über den Urteilsspruch lustig mache. Nun laufen Ermittlungen, ob Bill Gates und seiner Firma vielleicht ein Anti-Trust-Verfahren anzuhängen sei. Das kann in den USA ernste Folgen haben. So mußte zum Beispiel Telefongigant AT&T seine regionalen Töchter nach einem solchen Verfahren abgeben. Nachdem nun aber Windows 98 praktisch ungehindert auf den Markt kommen kann, scheint das Ministerium doch nicht genügend Munition gegen Gates in der Hand zu haben. Reiner Metzger