Schröder und die SPD Seit' an Seit'

■ Auf ihrem heutigen Parteitag in Leipzig werden die Sozialdemokraten widerspruchslos ihr Wahlprogramm beschließen und den Kandidaten Schröder küren. Nur noch die Gegenstimmen von Interesse: Zehn Prozent

Leipzig (AFP/taz) – Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder sieht keine gravierenden Differenzen mehr zwischen sich und der SPD. „Mein Verhältnis zur Partei ist so in Ordnung wie vielleicht nie zuvor“, betonte der designierte Kanzlerkandidat gestern mit Blick auf den heutigen Sonderparteitag der SPD in Leipzig. Dort soll er offiziell zum Herausforderer von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) gekürt werden.

Schröder betonte, er und die Partei hätten sich aufeinander zu bewegt. Er vertrete nur noch in einzelnen Punkten andere Positionen als die SPD. Er nannte als Beispiel sein Nein zu einer Ausbildungsplatzabgabe für Betriebe ohne Lehrstellen. Doch weder diese noch andere mögliche Differenzen – etwa die Höhe des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuerreform – werden auf dem Parteitag Anlaß zu Debatten bieten. Bereits im Vorfeld hatte man sich auf einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent festgelegt. Schröder, der gerne ein paar Prozentpunkte weniger wollte, mußte zurückstecken. Sein Wunsch wurde unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt. So wird die einzig spannende Frage des Leipziger Parteitages wohl die nach Schröders Wahlergebnis sein.

Der niedersächsische Innenminister und designierte Nachfolger Schröders als Ministerpräsident, Gerhard Glogowski, sagte, er erwarte von den 480 Delegierten ein deutliches Signal der Unterstützung für den Kanzlerkandidaten. „Mehr als zehn Prozent Neinstimmen würden Gerhard Schröder als Kandidaten beschädigen“, warnte Glogowski. Er setze deshalb auf „die kollektive Vernunft der Delegierten, damit Schröder ein gutes Ergebnis erhält“. Vertreter des linken Parteiflügels hatten Lafontaine als Kanzlerkandidaten favorisiert. Doch auch von ihnen war in den letzten Wochen kaum mehr ein Wort der Kritik zu vernehmen. Dabei soll es sich bei dem zu verabschiedenden Parteiprogramm um das – in Schröders Worten – „marktwirtschaftlichste“ handeln, das die Partei je vorgelegt habe. Im Mittelpunkt steht die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mit „einer klugen Kombination von Angebots- und Nachfragepolitik“. Für die Verabschiedung des Programms sind von der Parteitagsregie gerade mal gut eineinhalb Stunden vorgesehen – soviel wie für die Rede des Kanzlerkandidaten. SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering plädierte unterdessen dafür, Parteichef Oskar Lafontaine im Falle eines SPD-Sieges bei der Bundestagswahl einen Posten in Bonn zu geben. Müntefering sagte, mit einer „zusätzlichen Funktion“ am Regierungssitz solle Lafontaine „das dauerhafte und faire Zusammenspiel“ mit Schröder unterstreichen. Der Bundesgeschäftsführer ließ aber offen, ob Lafontaine etwa als Fraktionschef in den Bundestag gehen oder einen Ministerposten übernehmen sollte. Der saarländische Ministerpräsident hat sich bislang noch nicht zu seinen Plänen für den Fall eines SPD- Sieges geäußert. dr