: Immer weniger fahren mit der Bahn
■ Deutsche Bahn AG legt ihre neuesten Zahlen vor und will im Sommer mit Sonderangeboten den Trend umkehren. Umstrittener neuer Vorstand für den Fernverkehr verteidigt
Berlin/Frankfurt (taz/AP/dpa) Deutschlands größtes Verkehrsunternehmen, die Deutsche Bahn AG, legte gestern in Frankfurt am Main ihre genauen Bilanzzahlen für 1997 vor. Der Umsatz des Bundesunternehmens blieb mit 30,4 Milliarden etwa der gleiche, der Gewinn hingegen halbierte sich auf 359 Millionen Mark. Wegen diverser Sondereffekte wie Firmenverkäufen sind die Zahlen jedoch nur bedingt aussagekräftig. Deutlicher wird die Tendenz beim Fahrgastaufkommen, und da geht es weiter bergab. Schon im letzten Jahr fuhren weniger Gäste mit der Bahn als im Jahr zuvor. Und bei den neuesten Zahlen aus dem ersten Vierteljahr 1998 verstärkte sich dieser Trend noch: Der Umsatz im Nah- und Fernverkehr sank um zwei Prozent, die Zahl der von Fahrgästen zurückgelegten Kilometer, die sogenannte Fahrleistung, gar um vier Prozent im Vergleich zum Quartal des Vorjahres.
Bahn-Chef Johannes Ludewig gab gestern dem niedrigen Benzinpreis sowie hoher Arbeitslosigkeit und niedrigeren Realeinkommen die Schuld. Gerettet hat die Bilanz der Güterverkehr: Die zuständige DB Cargo legte beim Umsatz 3,4 Prozent zu. Trotzdem sank die Zahl der Beschäftigten um 20.500 auf gut 268.000 Menschen. In diesem Jahr sollen wieder Tausende von Stellen abgebaut werden.
Nun sollen günstige Sonderangebote im Sommer kurzfristig auch dem Personenverkehr helfen. Auf zehn innerdeutschen und drei internationalen Verbindungen kostet die ICE-Fahrt zu manchen Zeiten nur noch 69 Mark (mit Bahncard 49 Mark). Ebenfalls ab Juni werden die Sparpreise für Fahrten ins benachbarte Ausland auf 13 Länder ausgeweitet.
Daß es bei der Bahn intern erhebliche Unzufriedenheit gab, sieht man allerdings an der eiligen Bestellung eines neuen Vorstands. Vorgestern ließ die Bahn verlauten, daß sie „mit sofortiger Wirkung“ Axel Nawrocki in den Vorstand bestellt. Der bisherige Vorstand Heinz Neuhaus wurde damit von heute auf morgen abserviert. Nawrocki soll auch Vorstandschef der künftigen Bahntochter Reise & Touristik AG werden.
Der neue Mann ist weniger für seine profunden Erfahrungen als Firmenführer als für seine hervorragenden Verbindungen zur CDU bekannt. Nach der Wende Treuhand-Direktor, sollte Nawrocki dann für Berlin mit Gesamtkosten von 50 Millionen Mark die Olympiade an Land ziehen. Der Versuch scheiterte nicht nur am Widerstand vieler Berliner, sondern auch an den diversen Skandalen in der Berliner Olympiabewerbung. Doch Axel Nawrocki überstand alles ohne größere Blessuren und wurde Chef der Berliner S-Bahn- Gesellschaft, einer Nahverkehrstochter der Deutschen Bahn AG. Unter seiner Ägide liefen die Geschäfte nicht schlecht, die Fahrgastzahlen wuchsen, selbst eine gewisse Kundenorientiertheit konnte dem Unternehmen nicht abgesprochen werden.
Der ehemalige Bonner CDU- Finanzstaatssekretär und jetzige Bahn-Chef Ludewig jedenfalls verteidigte gestern die Ernennung von Nawrocki. Der sei immerhin von seinem Vorgänger Heinz Dürr zur Bahn geholt worden. Da müsse es also um Können und nicht um Parteizugehörigkeit gegangen sein. Dieses Argument leuchtete allerdings nicht jedem ein: Schließlich ist Dürr auch ein Kanzler- Spezi. rem
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