Volkskommunikationszellen und Verschwörungen

■ Ein Jahr nach Kabilas Machtergreifung verbreiten die Ideologen des Präsidenten in der Demokratischen Republik Kongo ein Klima von Kulturrevolution mit leicht paranoiden Zügen

Brüssel (taz) – Eine Revolution hatte Laurent-Kabila und seine „Allianz Demokratischer Kräfte zur Befreiung von Kongo/Exzaire“ (AFDL) während des Krieges gegen Mobutu versprochen – eine Revolution bekommt das Land auch, ein Jahr nach dem siegreichen Einzug der AFDL-Truppen in die Hauptstadt Kinshasa am 17. Mai 1997. Nicht nur läßt der Präsident der Demokratischen Republik Kongo sich von Mobutus ehemaligen Kommunikationsberater Dominique Sakombi Inongo, der jetzt auch Kabila in gleicher Funktion dient, Loblieder singen. Sakombi verspricht auch eine „Kulturrevolution“, wobei er vor allem mit dem Minister für Information und Kultur, Raphael Ghenda, zusammenarbeitet. Schon während seiner Zeit als Buschkämpfer zwischen 1967 und 1986 ließ sich Kabila „Licht der Revolution“ nennen.

Die Kongolesen dürfen nun zwar nicht mehr auf Oppositionsfiguren wie Etienne Tshisekedi und Joseph Olenghankoy hören – der erste ist in sein Dorf verbannt, der zweite steht gegenwärtig vor Gericht. Statt dessen aber sind sie zu Seminaren eingeladen, bei denen sie die nordkoreanische Juche- Ideologie der „Leuchtenden Sonne“ Kim Il Sung studieren dürfen. Wer sich auf einen Posten im Staatsdienst bewirbt, muß ein Teilnahmezertifikat an den AFDL- Ideologieseminaren vorweisen und eine schriftliche Prüfung über das „Gesellschaftsprojekt“ der AFDL bestehen.

Den Großteil seiner Zeit verbringt Informationsminister Ghenda damit, „Volkskommunikationszellen“ einzurichten, die als „Transmissionsriemen“ zwischen Regierung und Volk dienen sollen. Diese Zellen gesellen sich zu den „Tchembe-Tchembe“ – den AFDL-Basisgruppen aus der Zeit des Bürgerkriegs, mit denen die Bevölkerung überwacht wird. Der Informationsminister hat auch für Journalisten einen „Ghenda- Preis“ zur Auszeichnung der „besten Nachrichtenproduzenten“ gestiftet. Literatur, sagt Ghenda, hat die Funktion der „Umerziehung“ von „Herz und Intelligenz“.

Wer das alles zu radikal findet und sich nach den Zeiten des Personenkults unter Mobutu zurücksehnt, kommt auch auf seine Kosten. In der Hauptstadt Kinshasa sind überall Plakate mit Kabila drauf und entsprechenden Parolen zu finden, um „Ideen und Handlungen“ des Staatschefs zu verbreiten. Um so schlimmer für diejenigen, die diesen Pfad nicht einschlagen wollen. So ist „La Loi“, die neueste Platte des bekanntesten Sängers Zentralafrikas Koffi Olomide, seit Mitte März verboten. Die Rechtfertigung der Kulturzensurkommission: Die Choreographie und die Animation der Musik „stören die guten Sitten“. Die Regierung lädt lieber politisch korrekte Musiker ein, patriotische Lieder zu singen.

Schon immer bezieht Kabila sich ideologisch auf das panafrikanische und nationalistische Ideal des kongolesischen Befreiungshelden Patrice Lumumba, und seine Freizeit verbringt er derzeit gern mit Lumumbas Tochter Juliane, gleichzeitig Vizeministerin für Information und Kultur. Sicherlich ist Kabilas Kongo aber mit Nordkorea nicht zu vergleichen. Nach wie vor sucht das Land ausländische Investoren, vor allem im Bergbaubereich. Aber Investitionen und andere Hilfen bleiben aus – unter anderem, weil der Kongo die vom Internationalen Währungsfonds verlangte Zahlung der zairischen Altschulden noch immer ablehnt. Eine Zahlungszusage des Finanzministers im März wurde von der Regierung widerrufen, unter Hinweis auf die vorrangige Zahlung der Kriegsschulden an befreundete Länder wie Ruanda, Uganda und Simbabwe.

Die Weigerung des Kongo, für auswärtige Gelder Bedingungen anzunehmen – zu denen auch der Respekt für Menschenrechte und Demokratie gehört – führt Kabila dazu, sich inzwischen immer häufiger auf die Idee einer „Verschwörung gegen Afrika“ zurückzuziehen. Das erinnert an die Paranoia, die Kabilas „Partei der Volksrevolution“ (PRP) schon im Buschkrieg der 70er und 80er Jahre an den Tag legte, als eine der Leitlinien der PRP darin bestand, aus Mißtrauen selbst auswärtigen Freunden gegenüber die Linie der Partei zu verheimlichen.

Die „befreiten Zonen“, die Kabilas PRP bis 1985 im Osten des Kongo unterhielt, waren schon damals an Kabilas Autoritarismus und Willkür zugrundegegangen. Die Frage ist nun, ob dieses Szenario, das sich damals in winzigen Buschkommunen abspielte, sich nun im ganzen riesigen Kongo wiederholen könnte. Wenn das Kabila-Regime an seiner Illusion festhält, das Land in ein Paradies auf Erde verwandeln zu wollen, könnte die Antwort darauf positiv ausfallen. François Misser