■ Wer ist verantwortlich für die Novel-Food-Verordnung der EU?
: Das Märchen vom guten Parlament

Glaubt man der gängigen Berichterstattung über die Verbraucherschutzpolitik der EU, dann laufen in Brüssel zwei Sorten Menschen herum: zum einen die EuropaparlamentarierInnen, zu erkennen an dem heiligen Ernst, mit dem sie für den Schutz von Mensch und Umwelt kämpfen. Zum anderen die EurokratInnen der Europäischen Kommission, die sich durch finsterste Industriehörigkeit auszeichnen, ihre eigenen Kinder mit Umweltgiften füttern und in ihrer Freizeit den Vorgarten betonieren. Was immer die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes mühsam im Umwelt- und Verbraucherschutz erringen, das streichen die KommissionsbeamtInnen wonnegrunzend mit Rotstift auf leere Gesetzeshüllen zusammen.

Exemplarisch wird das an der Novel-Food-Verordnung. Jahrelang hieß es von den CDU- und SPD-ParlamentarierInnen auf Bundes- und Europaebene, selbstverständlich streite man für eine umfassende Kennzeichnung genmanipulierter Lebensmittel. Dabei waren es die EuropaparlamentarierInnen, die das Desaster um die Novel-Food-Verordnung zuließen.

Heute – genau ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Novel-Food-Verordnung – ist immer noch nicht klar, wann und wie gekennzeichnet werden soll. Nach wie vor tappen die VerbraucherInnen im dunkeln, und genmanipulierte Lebensmittel befinden sich inkognito auf dem Markt. Zu hören ist nun das empörte Geschrei – gerade von den ParlamentarierInnen, die damals zugestimmt haben –, die Kommission hätte ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

Doch die Novel-Food-Verordnung wurde von Europaparlament und Ministerrat im Vermittlungsausschuß beschlossen. So tönte vor einem Jahr die SPD- Berichterstatterin, der ausgehandelte Kompromiß zu Novel Food sei „ein großer Sieg des Verbraucherschutzes und ein Schlag ins Gesicht der Kommission“. Ungestraft wurde sogar behauptet, Gentech-Mais und -Soja seien umfaßt, obwohl die EU-Kommission dies explizit ausschloß. Statt eigene Fehler einzugestehen, zeigt man nun mit erhobenem Zeigefinger auf die EU-Kommission.

Ausbaden müssen es die VerbraucherInnen. Trotzdem wird fleißig die alte Mär genährt: Gute ParlamentarierInnen wollen ihre KonsumentInnen (sprich WählerInnen) vor ungekennzeichnetem Novel Food bewahren, böse EurokratInnen wollen das Volk mit Gentech-Gemüse zwangsernähren. Verwunderlich bleibt freilich, daß die vermeintlich Guten in Brüssel und Straßburg stets mit am Steuer sitzen, wenn der Karren in den Dreck gefahren wird. Hiltrud Breyer

Die Autorin ist Europaabgeordnete der Bündnisgrünen