Unterstützung für MigrantInnen mit HIV und Aids

■ Beratungsstelle Bekam hilft Nichtdeutschen mit HIV und Aids. Einige Praxen versorgen Flüchtlinge kostenlos mit Medikamenten. Kulturelle Tabus als Hemmschwelle

Keiner fühlt sich so richtig zuständig: Die Aids-Projekte der Stadt kümmern sich nicht speziell um MigrantInnen, die MigrantInnenprojekte nicht speziell um Aids. In diesem Dilemma möchte Bekam helfen, eine Kontakt- und Anlaufstelle der Berliner Aids- Hilfe für Nichtdeutsche. Die Gruppe, die bisher ehrenamtlich arbeitet, existiert seit einem Jahr und bietet heute im Rahmen der Veranstaltung „Aktion Jericho – Mauern müssen fallen“ einen Workshop zum Thema „Unterstützung von MigrantInnen mit HIV und Aids“ an.

Die Zielgruppe Nichtdeutsche wird in der Aids-Arbeit zunehmend wichtiger, denn deren HIV- Infizierungen steigen an. Von den geschätzten 8.000 bis 10.000 HIV- infizierten BerlinerInnen lag der Anteil von (ausgebrochenen) Aids-Erkrankungen unter Nichtdeutschen laut Jahresbericht des Robert-Koch-Instituts 1993 noch bei 11,9 Prozent, 1995 schon bei 12,4 und 1997 bereits bei 12,9 Prozent. Die Mehrheit der Betroffenen kommt aus Europa, von den Nichteuropäern sind 30 Prozent NordamerikanerInnen und 36 Prozent kommen aus Afrika. Türken sind nur sehr gering vertreten. Von Mai bis Mitte Dezember vergangenen Jahres suchten 79 Nichtdeutsche die Anlaufstelle Bekam auf – die meisten kamen aus Afrika und Südamerika. 61 von ihnen waren bereits HIV-positiv.

„Die Zahlen sind frappierend“, sagt Bekam-Mitarbeiter Felix Gallé und kritisiert, daß oftmals immer noch die Meinung vorherrsche, überwiegend Junkies und Schwule würden an Aids erkranken. Seine Kollegin Pia Heuer sieht als einen Grund für die steigenden Infektionen, daß gerade bei Flüchtlingen eine mögliche HIV-Infektion durch ihre schwierige Lebenslage in den Hintergrund trete.

Bekam bietet eine umfassende Beratung von Nichtdeutschen an: Am wichtigsten ist dabei der gesicherte Aufenthaltstatus. „Der ist fürs Überleben wichtig“, sagt Gallé. Denn nur in Deutschland bekämen sie ausreichend Medikamente. Werden sie in ihr Heimatland abgeschoben, drohe ihnen häufig der Tod. Die Innenverwaltung kennt dabei kein Pardon. Abgeschoben werden kann, wer reisefähig ist. Und eine HIV-Infektion oder Aids-Erkrankung bedeute nicht, so Specherin Isabelle Kallbitzer, daß man unbedingt reiseunfähig sei. Das entscheide im Einzelfall ein Arzt.

AsylbewerberInnen haben laut Gesetz nur bei akuten und schmerzhaften Krankheiten einen Anspruch auf medizinische Behandlung. Bei chronischen Erkrankungen nur dann, soweit es zur „Sicherung der Gesundheit unerläßlich ist“. Deshalb kommen viele nicht in den Genuß der teuren Medikamente und der aufwendigen Blutuntersuchungen. Laut Gallé gebe es aber in der Stadt mittlerweile 10 bis 15 HIV- Schwerpunktpraxen, die Flüchtlinge kostenlos mit Medikamenten versorgten.

Aber auch die Beratungsarbeit nach der Aufdeckung einer Infektion ist wichtig. Denn unter den MigrantInnen gibt es, so Pia Heuer, unterschiedliche kulturelle Tabus, die nur durch Gespräche in der Heimatsprache aufgebrochen werden könnten. So seien Arztbesuche oftmals mit großen Hemmschwellen verbunden. Oft werde die Krankheit auch sehr defensiv wahrgenommen, nach der Devise, man brauche keine Medikamente, „da sowieso alles vorbestimmt sei“.

Auch die Arbeit mit Gefangenen ist für Bekam ein großes Arbeitsfeld. Laut einer Bekam-Untersuchung stoße das Thema Aids auf großes Interesse bei inhaftierten MigrantInnen. Jedoch gebe es seitens der Haftanstalt nicht die „mindeste Initiative“, kritisiert Angeles Llorca von Bekam. Eine Befragung von 27 Gefangenen habe ergeben, daß keiner von ihnen Kondome benutze, weil diese im Knast nicht frei und anonym zugänglich seien. Bereits HIV-Infizierte klagten darüber, daß sie kaum medizinisch behandelt würden. Julia Naumann