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Durchs DröhnlandAlles Gothic oder was?

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

In Washington, D.C., gehen die Uhren offensichtlich anders. Während sich auf dem Rest des Erdballs die Spaßfraktion endgültig Bahn bricht und selbst Henry Rollins plötzlich alles nicht mehr so gemeint haben will, gibt es in Sichtweise des Weißen Hauses immer noch eine der aktivsten Hardcore-Szenen weltweit. Und nirgendwo sonst wird so vehement weiter mit Hilfe von Straight Edge an der Vervollkommnung des antikapitalistischen Körpers durch Musik, Abstinenz und Muskelbildung gearbeitet. Überdurchschnittliche Kondition ist da ebenso unvermeidlich wie personelle Überschneidungen. Battery und Better Than A Thousand haben zwei Mitglieder gemeinsam, auch wenn der Gitarrist von hier dort Bass spielt und der Trommler dafür Gitarre. Better Than A Thousand und ihr manchmal zähflüssiger, aber immer ziemlich schlicht gestrickter Core sind die aktuelle Karrierestation der Genregröße Ray Cappo, der sich zuvor mit Shelter oder Youth of Today durchs Leben sang. Bei Battery strapaziert Brian McTernan die Stimmbänder, der zumindest als Produzent solcher Genregrößen wie Madball oder Texas Is The Reason einen Namen gemacht hat. In Florida sehen sie die Dinge – schon klimabedingt – etwas lockerer, weswegen Bloodlet mehr Metal in ihrem Hardcore haben, als ihnen gut tut. Und weil aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen Hardcore-Konzerte immer wieder gern nach dem Grundsatz „Viel hilft viel“ zusammengestellt werden, spielen außerdem auch noch Maximum Penalty und Veil.

12.6., 19 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Was nicht nötig gewesen wäre, ist diese öde pluckernde Rhythmusbox im Hintergrund. Da hat sich Terry Truck, der sich sonst meist stumm hinterm Klavier in sein Schicksal fügende Partner von Georgette Dee, in der Vertonung der Chansons von Barbara Kramer vergriffen. Ansonsten hält er sich zurück und legt einen hauptsächlich unaufdringlichen Schmelz um die überaus teutonische Stimme der ziemlich blonden Theaterschauspielerin aus Norddeutschland, die durch den Film in Frankreich landete und seitdem zweisprachig singt. Da Kramers Stimme manchmal etwas herrisch und immerzu nach großer Geste klingt, was noch nie sonderlich zum säuselnden Understatement des Französischen paßte, sind die in der fremden Sprache gesungenen Lieder in ihrer Diskrepanz hübscher als die deutschen, die leicht hölzern wirken. „Ich will wieder fühlen, wie Leben sich anfühlt“, heißt es da, aber immerhin schafft es Kramer, selbst derart sperrige Sätze noch halbwegs elegant – wenn auch immer bedeutungschwanger – zu singen, oder besser: vorzutragen.

12.6. und 14.6., 20.30 Uhr, Grüner Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte

Wofür Prodigy große Besetzung und Wagenladungen von Technik brauchen, das machen Disciplin A Kitschme zu dritt mit Bass, Schlagzeug und Stimme: Ein großes, mächtiges Geboller, zu dem man wahlweise raven oder headbangen kann. Weder hier noch dort wird zwar der Rock 'n' Roll geheilt, aber lustig ist es allemal. Vor allem, weil das Londoner Trio so stolz darauf besteht, alles live einzuspielen. Darunter auch ein Song wie „Heavy Bass Blues“, der nicht nur so heißt, sondern auch tatsächlich ein Blues ist. Irgendwo, entfernt und prinzipiell dann doch. Ganz nach dem Motto: Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht?

12.6., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56, Mitte

Yebo wurden berühmt, als Ska- Miterfinder Derrick Morgan mit ihnen seine Althits wie „Fat Man“ noch einmal neu einspielte und sie anschließend für eine triumphale Revival-Tour zu seiner Begleitband machte. Allerdings immer auf dieser Episode herumzureiten, ist ein bißchen ungerecht, denn Yebo gibt es immerhin schon seit 1979, und seitdem bewahren sie erfolgreich die sanft groovenden Anfänge des Off-Beat. Während die durchschnittliche Ska-Kapelle meist vom Two-Tone-Sound vom Ende der Siebziger beinflußt ist, der ohne Punk gar nicht denkbar gewesen wäre, kann man bei Yebo noch hören, daß der Ska als Reaktion auf den US-Soul der Sixties entstand. Bei ihnen brettern die Bläser nicht, sondern laden zum freundlichen Wippen ein, das Tempo ist selten hochleistungsgerecht und die Stimmung meist sonnig bekifft.

13.6., 21.30 UHr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170

Mainstream ist meist eine klebrige, unangenehme Angelegenheit. Und das ist sie auch bei Billie Myers. Die allerdings immerhin hat ein paar wirklich schöne Texte geschrieben, und man muß ja nicht von jederfrau verlangen, sich musikalisch in Sack und Asche zu hüllen wie Joan Armatrading oder Tracy Chapman. Die in England aufgewachsene Jamaikanerin hätte sich allerdings mit dem Geld, das in ihr Debut „Growing, Pains“ gesteckt wurde, was Flotteres als 08/15-Gitarren, billige Rattenfänger-Melodien und ein Sexy- Lockenlady-Image maßschneidern lassen können.

17.6., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Auch in Plauen geht es düster zu. Von dort kommen Dark Land, die nach Eigenaussage viel Wert auf die Bühnengestaltung mit „Vorhängen, Kerzenleuchtern u.v.m.“ legen. Weil einem der nächste Friedhof ja nicht wegläuft, brauchen auch die Songs so ihre Zeit, bis sie in Fahrt kommen, das nennt man dann wohl Arrangement. Dann aber trötet die Oboe und fidelt die Geige, was der Mittelaltermarkt hergibt. Und es singt auch: „Gestern war ich tot und ich lebe“. Alles Gothic oder was? Man traut es sich gar nicht zu sagen, aber einer der beiden Sänger klingt ein bißchen wie Herman van Veen.

18.6., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei Thomas Winkler

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