Golkar-Partei will ohne Suharto an der Macht bleiben

■ Indonesiens Regierungspartei entscheidet auf einem Sonderparteitag über eine neue Führung und den künftigen Kurs. Wendehälse der Partei überbieten sich in reformorientierter Rhetorik

Bangkok (taz) – Ihr Ruf ist schlecht, und sie ist dennoch stark umworben – Indonesiens Regierungspartei Golkar, mit angeblich 36 Millionen Mitgliedern die größte politische Organisation des Landes, die über dreißig Jahre lang willig der Suharto-Diktatur diente. Wer wird die Partei künftig kontrollieren und damit Tempo und Richtung der politischen Reformen in Indonesien bestimmen? Auf einem dreitägigen Golkar- Sonderkongreß, der gestern in Jakarta begann, soll sich der Machtkampf entscheiden, der in der Partei seit dem Rücktritt Suhartos im Mai tobt.

Dieses Treffen wird zugleich zeigen, wie stark die Position des neuen Präsidenten Bacharrudin Jusuf Habibie ist, der mindestens bis zum nächsten Jahr im Amt bleiben will. Und werden Suharto und seine Kinder, die bislang noch wichtige Führungsposten in der Partei haben, wenigstens einen Teil ihres Einflusses retten können? Welche Rolle wird das Militär künftig in der Politik spielen? Welche der Islam?

„Golkar muß nicht nur eine aktive Haltung gegenüber der nationalen Reformbewegung einnehmen“, erklärte Habibie zur Eröffnung des Treffens, „sondern muß sich auch selbst reformieren.“

Angesichts der desolaten wirtschaftlichen Lage rief der langjährige Suharto-Vertraute die eintausend Delegierten gestern erst einmal auf, den Mut nicht zu verlieren. Wer die Zuversicht schon verloren habe, solle „den Optimisten Gelegenheit geben und sie mit Gebeten unterstützen, damit sie diese wahrhaft schwierige Situation meistern können“, sagte Habibie.

Der bisherige Golkar-Vorsitzende Harmoko, bis zum Mai bekannt als unerbittlicher Anhänger Suhartos, der in der Vergangenheit stets jede Forderung nach Demokratie und Reformen zurückwies, zeigte sich als beeindruckender Wendehals: Korruption, Filz und Vetternwirtschaft seien die Kehrseite der wirtschaftlichen Entwicklung gewesen, sagte er. Die Menschen „wollen jetzt, daß das Gesetz eingehalten wird“, erkannte er. „Die Leute wollen jetzt Menschenrechte, die von einem Geist der Menschlichkeit getragen werden.“

Am Samstag wird ein neuer Vorsitzender gewählt – noch ist nicht entschieden, ob es der ehemalige Verteidigungsminister Edi Sudradjat wird, der aus dem Militär kommt und von vielen Suharto- Anhängern favorisiert wird. Als Wahl Habibies gilt hingegen der Staatssekretär Akbar Tanjung, der als „Reformer“ beschrieben wird. Er sagte gestern, Golkar sei „fertig“ mit Suharto. „Wir alle wollen eine neue Golkar mit einer klaren Vision für die Zukunft.“

Von der Familie Suharto erschien nur der zweite Sohn Bambang Trihatmodjo, Schatzmeister der Partei. Sein 77jähriger Vater, der Golkar während seiner Herrschaft aus einer unbedeutenden Gruppe in einen riesigen politischen Apparat umfunktioniert hatte, blieb jedoch zu Hause. Offiziell steht er nach seinem Rücktritt als Staatspräsident vor sechs Wochen noch dem Golkar-Ältestenrat vor, der ein Vetorecht in allen Parteiangelegenheiten hat. Es wird jedoch damit gerechnet, daß Suharto dieses Amt verlieren wird.

Als Präsident hatte Suharto dafür gesorgt, daß alle vier Millionen Staatsangestellten Golkar wählen mußten. Die Partei durfte als einzige der offiziell zugelassenen drei Parteien auch in den Dörfern aktiv sein – und erreichte so bei den Wahlen stets über zwei Drittel der Stimmen. Jutta Lietsch