Die Nische ist zu eng geworden

Verdrängungskampf auf dem Ökomarkt: Der Naturkostfachhandel punktet mit neuen Konzepten gegen Supermärkte mit Billigbiokost-Regalen  ■ Aus Stuttgart Danièle Weber

Wie sollen Bioprodukte in Zukunft vermarktet werden? Soll sich die einst alternativ genannte Ökobranche den Marktstrukturen anpassen oder andere Handelswege entwickeln? Das sind Fragen, die seit Jahren innerhalb der Branche immer wieder diskutiert werden. Modellprojekte des Marketings werden Fachleute aus Handel und Erzeugerverbänden auch heute in Stuttgart auf einer Tagung „zur Nachhaltigkeit in Handel und Lebensmittelmarkt“ erörtern. Veranstaltet wird sie von der baden- württembergischen Akademie für Natur- und Umweltschutz und dem Naturschutzbund Deutschland.

Vorgestellt werden soll unter anderem ein schwäbischer Pionier der Branche: das erste ökologische Einkaufs- und Dienstleistungszentrum, das laut Bauplan am 25. September in Bietigheim-Bissingen, 30 Kilometer nördlich von Stuttgart eröffnet wird. Es gilt als ein Projekt mit neuen Dimensionen, denn täglich werden dann immerhin 1.500 bis 2.000 BesucherInnen im Ökokaufhaus in der Rommelmühle an der Enz erwartet. „Wir wollen eine Perspektive im immer härter werdenden Wettbewerb aufzeigen“, hatte der Architekt Gerhard Hansen verkündet, als Mitte Mai in der Rommelmühle zum Richtschmaus geladen wurde.

Einen besonderen oder auch nur unmittelbar einleuchtenden Grund, sich um die Zukunft der Ökobranche zu sorgen, gibt es zur Zeit allerdings nicht. Im Gegenteil ist die Entwicklung auf dem Ökomarkt im Vergleich zum konventionellen Handel eher positiv. Auf rund neun Prozent schätzen die Bundesverbände Naturkost Naturwaren (BNN) die Umsatzzuwächse im Naturkosteinzelfachhandel für 1997. Das sind fast vier Prozent mehr als im Jahr zuvor. Insgesamt nimmt Bionahrung zwar nur 1,5 Prozent des deutschen Lebensmittelmarktes ein, doch Umfragen haben ergeben, daß KonsumentInnen prinzipiell gewillt sind, ihren Ökoverbrauch zu steigern.

Beim Einkauf sind sie jedoch eher treu. Sie erledigen ihren ökologisch korrekten Einkauf immer noch am liebsten im Bioladen. Die rund 1.700 Naturkostläden setzen mit 1,2 Milliarden Mark immerhin über ein Drittel der Bioware um. Danach folgen die Supermärkte mit 25 und der Ab-Hof-Verkauf mit 20 Prozent.

„Wir gehen davon aus, daß diese Marktsegmente gleichmäßig weiterwachsen werden“, sagt Manon Haccius, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL). Das sehen nicht alle so. „Im Einzelfachhandel wird es in den nächsten Jahren gewaltige Veränderungen geben“, prophezeit beispielsweise Peter Moll vom „Clearing-house for Applied Futures“ in Wuppertal. Schon jetzt sei der Konkurrenzdruck der Supermärkte mit ihren deutlich billigeren Bio-Angeboten zu spüren.

Moll ist Leiter des „Ökokaufhaus-Projekts“, das Modellkonzepte für eine professionellere Vermarktung ökologischer Produkte in Deutschland entwickeln will. Mit dabei sind unter anderem das Wuppertal Institut, der BUND, und das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, finanzielle Unterstützung gibt es unter anderem vom Land Nordrhein- Westfalen. Konkret betreut das Team drei Pilotprojekte, die in Köln, Krefeld und Soest entwickelt werden.

Grundgedanke und Ansporn ist die Devise: Raus aus der Ökonische! Und vor allem: Mehr ans Geschäft denken. Um die eigene Existenz zu sichern, sollen sich bestehende AnbieterInnen zusammenschließen und so den Markt mit mehr verschiedenen Angeboten gleichmäßig und zugleich breiter zu durchdringen. Die Furcht: „Artfremde Investoren“, wie Moll sie nennt, könnten sonst das Rennen auf dem Ökomarkt machen. „Vielen Ökoanbietern geht es immer noch in erster Linie darum, alternative Lebensformen anzubieten“, sagt Peter Moll. Dabei könne man heute aber nicht mehr stehenbleiben. „Wer sich jedoch nicht um wirtschaftliches Bestehen und Expansion kümmert, wird es schwer haben, auf dem Markt zu bestehen“.

„Wir vollziehen einen gesellschaftlichen Prozeß im Handel nach“, erklärt Marita Odia vom BNN die aktuelle Situation. Die Ökos seien heute nicht mehr so leicht zu definieren. Die Branche habe sich in den letzten Jahren durchaus flexibel gezeigt: Viele Läden seien dabei, ihr Sortiment und ihre Verkaufsflächen zu vergrößern. Trotzdem: „Ein Patentrezept für die Bio-Vermarktung gibt es nicht“, sagt die Sprecherin des BNN. Es müsse weiterhin vielfältige Strukturen geben. Ob diese allerdings anders als im konventionellen Handel langfristig überleben können, ist ungewiß. Daß auch in der Ökobranche „ganz normale“ Marktregeln gelten, zeigt sich am Projekt Ökokaufhaus Rommelmühle. In der Anfangsphase haben sich die ÖkohändlerInnen der Region noch auf Einladung der Zentrumsplaner im AK Handel monatelang immer wieder getroffen. Diese „Ideenschmiede von außen“, erklärt ein Beteiligter, sei allerdings auf der Strecke geblieben. Ein Teil der InteressentInnen habe sich den Einstieg ins Ökokaufhaus nicht leisten können, ein anderer ihn sich nicht leisten wollen – immerhin bedeute Mitmachen auch Risiko. „Wer garantiert mir, daß das große Kaufhaus in diesem kleinen Ort ein Erfolg werden wird?“ gibt etwa ein renommierter Ökometzger aus Bissingen zu bedenken. Er zieht es wie einige andere regionale Anbieter vor, die Konkurrenz mit dem Ökoriesen aufzunehmen.