Im Sun-Ra-Orbit

Michael Ray & the Cosmic Krewe spielen den Jazz-Funk der Zukunft bei den Heimatklängen im Tempodrom  ■ Von Michael Neubauer

Die Nachrichten haben einen Sternschnuppenhagel angekündigt. Ein Gewitter verzieht sich, heißer Wind bläst in das Tempodrom. Die Bühne gleicht einem Altar. Lila Fahnen mit Sternen drauf, goldene Drahtsymbole an den Subwoovern. Heute nacht kommt Michael Ray zurück. Nicht wie in den 80ern mit Kool & The Gang, sondern mit seiner Cosmic Krewe. Was dann sein wird, wird kosmisch sein.

Das All strahlt auf Ray, und Ray strahlt zurück. Seine Musik nennt er „Jazz Funk of the Future“ oder „Space Jazz“, und wir ahnen, bei wem er gelernt hat. Es war Sun Ra, der Typ mit den bunten Hosen, drei Hüten auf dem Kopf und Antennen oben drauf. Sun Ra beamte einst Michael Ray in sein Archestra. Ray und seine Trompete machten bei ihm nicht nur 15 Jahre einen Intensivkurs in Free Jazz, sondern auch eine Einführung in den Voodoo-Kult.

Die Cosmic Crew erscheint, eine funkelnde Gruppe mit Hemden zwischen Batik und Metallic. Michael Ray walks like an Egyptian, im golden-glitzernden Lendenschurz und mit Zuckerhuthut. Das Bewegungswunder Ausettua Jackson singt und zeigt, was in einer Hüfte stecken kann. Sie wird den ganzen Abend die Bühne mit ihren afro-amerikanischen Tanzritualen in Trance bringen, die Solisten anbauchtanzen und das Beste aus ihnen herauskitzeln.

„We bring greetings from the children“, läßt sie verlauten. Ein Percussion-Intro, das sich gewaschen hat, dann greift Michael zur Trompete, der Lichtdimmer flippt aus und es folgt ein karibisch-afrikanischer Jazzmischling, der übernatürlich tanzbar ist. Was die Cosmic Krewe da treibt, ist ein Highlight der diesjährigen Heimatklänge: Performance vom Kopfstand bis zum Fußgezappel. Der Name „Krewe“ stammt von der Bezeichnung der Gruppen oder Krewes, die an den Mardi Gras Paraden in New Orleans mitmischen.

Für Ray ist Jazz eine „Performance Art“ mit einer Botschaft. Farben und Rhythmus sind für ihn ein und dasselbe, wie Noten und Töne. Alles was wir hören und sehen, ist für ihn Vibration. Seine „Haitian vibration“ knüpft an die Voodoo-Zeremonien an, die im 19. Jahrhundert in New Orleans gesellschaftsfähig wurden. Ihre musikalischen und tänzerischen Elemente finden Eingang in seine Show und verleihen ihr einen immer schneller werdenden Drive, der die vielköpfige Band scheinbar abheben läßt. Und der auf die Instrumente überspringt: Wer noch nicht wußte, was aus Saxophonen und Trompeten herauszuholen ist, wird es hier erfahren. Der Eindruck bleibt, daß es nicht mehr irdisch hier zugeht.

Michael Ray & the Cosmic Krewe, von Freitag bis Sonntag ab 21.30 Uhr im Tempodrom