■ Vorschlag: „Bilder einer Ausstellung“ als Varieté in der ufa-Fabrik
Der russische Komponist Modest Mussorgsky hat sich einst von Gemälden zu seinem wohl bekanntesten Werk, „Bilder einer Ausstellung“, inspirieren lassen. Der Entertainer und Artist Karl-Heinz Helmschroth nimmt nun den Weg retour: Die Musik wird zum Ausgangspunkt für seine eigene Bilderrevue mit Akrobaten, Jongleuren sowie Clowneskem und Artistischem. Daß Varieté nicht nur eine Aneinanderreihung von Nummern sein muß, hat Helmschroth bereits mit Inszenierungen im Chamäleon und im Wintergarten unter Beweis gestellt.
Für seine Produktion im Sommerzelt auf dem ufa-Gelände hat er sich eine neunköpfige Truppe mit Künstlern aus Paris, Berlin und St. Petersburg zusammengestellt. Als ergrauter Museumsführer mit Lockenwicklerperücke, Reich-Ranicki-Akzent und etwas lauen Pointen führt er seine Besucher durch das imaginäre Museum, während Rolf Hammermüller recht stoisch, aber bewundernswert versiert und souverän den Abend am Flügel und am Keyboard zusammenhält. Da wird Mussorgsky einerseits ganz getreu vom Blatt gespielt, aber auch mit jazzigen Improvisationen weitergeführt und an die Variténummern angepaßt.
Die Tänzerin Carolin kriegt eigens eine Samba, um ihre Hula- Hoop-Reifen tanzen zu lassen, das Kraftakrobaten-Duo Jouvilow macht mit Gruselsound im Background aus der luftigen Bühne ein Gespensterschloß samt vampiristischem Tanzspektakel. Wie man bei Mussorgsky auf Blutsauger kommt, ist zwar nicht unbedingt nachvollziehbar, aber Schauwert hat die Nummer auf alle Fälle. Viel witziger und gelungener hingegen, wenn sich die kleinen Handlungsfragmente tatsächlich weiterspinnen zu circensischen Attraktionen. Etwa wenn der Pariser Clown mit seinem Knautschgesicht im Stretchkleid und mit rotem Strickhut auf dem Kopf einer Museumsbesucherin (Chris Ritter) beim Fotografieren hilft – und unversehens mit ihr am Vertikalseil baumelt. Da mischen sich Slapstick mit Nervenkitzel, und Stimmung kommt auf. Und auch bei Karl-Heinz Helmschroths bestem Auftritt hat Boris, der heimliche Star des Abends, seine Finger mit im Spiel. Während nämlich der eine sich als cooler Flamencogitarrist in Szene setzen will, schafft es der Tolpatsch, dessen Auftritt garantiert in den Sand zu setzen. Wie sich hier das Chaos samt Musik mehr und mehr hochschaukeln, ist schon ein ziemlich gelungener Spaß. Axel Schock
Noch bis 16. August, Mi–So, 20.30 Uhr in der ufa-Fabrik, Viktoriastr. 10–18, Tempelhof
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