Eko-Stahl wird französisch

Die Konzentration der Stahlbranche schreitet voran: Usinor übernimmt den belgischen Stahlkonzern Cockerill-Sambre und dessen Tochter Eko-Stahl  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Endlich ist es der wallonischen Regionalregierung gelungen, ihren Stahlkonzern Cockerill-Sambre loszuschlagen. Der französische Stahlkonzern Usinor übernimmt die Mehrheit am belgischen Stahlhersteller samt dessen ostdeutscher Tochtergesellschaft Eko- Stahl. Eko war 1994 von der Treuhand an Cockerill verkauft worden. Usinor, der einzige Bewerber, nachdem der Thyssen-Krupp- Konzern ausgestiegen war, kauft nun 53 Prozent der Cockerill-Anteile für 26 Milliarden belgische Francs (1,26 Milliarden Mark). Die Region Wallonien behält die von ihr angestrebte Sperrminorität von 25 Prozent.

Besonders zufrieden gab sich Brandenburgs Wirtschaftsminister Burkhard Dreher. Usinor werde Eko-Stahl zum „Stahlkompetenzzentrum für Mittel- und Osteuropa“ machen. Sein Optimismus für das mit Milliardenaufwand modernisierte Eisenhüttenstädter Stahlwerk bezieht sich auf die Tatsache, daß Eko der einzige Standort von Usinor für dessen Aktivitäten in Mittel- und Osteuropa sein werde. Daher würden nicht nur die bestehenden 2.600 Arbeitsplätze gesichert, sondern sogar neue geschaffen, glaubt Dreher.

Mit dem Verkauf von Cockerill- Sambre geht die Konzentration der europäischen Stahlbranche wieder einen gewaltigen Schritt voran. Die Stahlkrisen scheinen überwunden. Dabei war erst vor fünf Jahren ein gewisser Ferdinand Braun im Auftrag der EU-Kommission quer durch Europa gereist. Er versuchte damals die Bosse der 17 größten Stahlwerke zu überreden, ein Siebtel der Kapazitäten freiwillig stillzulegen. Die EU wollte die dauernden Krisen der Stahlbranche durch Absprachen lösen: Wenn alle etwas weniger produzieren, steigen die Preise und damit die Gewinne. Die EU stellte sogar eine Milliarde Mark bereit, um die 50.000 erwarteten Arbeitslosen sozial aufzufangen. Der Plan scheiterte, weil die Stahlmanager doch lieber auf den Markt als auf EU-Kommissar Bangemann vertrauten.

Von Krise ist im Moment kaum noch die Rede, die Unternehmen haben teilweise rabiat rationalisiert, und der Absatz für Stahlprodukte ist in den letzten Jahren auch wieder gestiegen. Die Branche fährt Gewinn ein. Weshalb dann die Fusionen und Zusammenschlüsse? Die Stahlbranche sei dabei, sich nach Jahrzehnten des Stillstands neu zu ordnen, sagt der EU- Stahlexperte Alberto Canevali. Bis in die 80er Jahre waren 90 Prozent der europäischen Stahlhütten in Staatsbesitz. Gerade weil sie in Krisenzeiten als kriegswichtig und im Frieden als Kernstück der staatlichen Industriesteuerung gesehen wurden, konnten sich Kohlegruben und Stahlhütten gegen jede Modernisierung sperren. Wenn es eng wurde, mußte die Regierung eben zuschießen.

Das wurde dann irgendwann zu teuer, wie jetzt auch die wallonische Regierung einsehen mußte. Cockerill-Sambre gilt als Beispiel für einen gut geführten Betrieb, der zwar ständig größer geworden, aber immer noch zu klein war, um sich langfristig behaupten zu können. Die Regierungen überlegten, daß es günstiger ist, den Stahlwerken noch ein letztes Mal Geld für Modernisierungen zu geben, um sie dann zu verkaufen. Im Stahlbereich sind inzwischen 95 Prozent der Betriebe privatisiert.

Doch mit niedriger Produktivität und hohen Kapazitäten schlitterten die Stahlwerke von Krise zu Krise. Unter dem Druck sinkender Preise lernten die Unternehmen ihre Stärken und Schwächen kennen. „Sie haben abgebaut, was Verluste bringt“, sagt Canevali, „jeder hat sich auf sein Kerngeschäft konzentriert, wo er besonders stark ist.“ Bei den einen war das Profilstahl, bei den anderen Bleche oder Panzerplatten für die Werften.

Und dann haben sie sich Partner gesucht, die ihr Geschäft sinnvoll ergänzen. Als der französische Konzern Usinor beispielsweise ein Kaltwalzwerk gebraucht hatte und deshalb die südspanische Sidmed übernahm. Krupp übernahm Hösch und wurde dann von Thyssen einverleibt. Arbed schluckte Sidmar und Klöckner, Cockerill- Sambre ließ sich von der Bundesregierung Eko-Stahl schenken, um einen Fuß in den deutschen Markt zu bekommen, und suchte anschließend selbst ein neues Dach.

Die Konzentration wird auch nach der Übernahme von Cockerill-Sambre durch Usinor weitergehen. Die Stahlbosse denken dabei nicht nur an Synergieeffekte und neue Märkte. Die nächste Krise kommt bestimmt, und einige wissen, daß sie sie nicht überstehen werden. Krupp etwa hat noch viele marode Anlagen und strebte deshalb die feindliche Übernahme des größeren Thyssen-Konzerns an, um an gewinnträchtige Anlagen zu kommen. Der Coup scheiterte, führte aber dazu, daß Thyssen die Krupp-Werke eingliederte und damit die Arbeitsplätze vorerst sicherte.

Allein in Deutschland gibt es neben den großen Stahlunternehmen noch rund 100 kleine Hüttenbetriebe. Die meisten haben sich auf Nischenprodukte spezialisiert und leben damit ganz gut. Doch je mehr sich die Branchenriesen zusammenschließen und rationalisieren, desto mehr kleinere und mittlere Firmen kommen unter Druck.

Aus den meisten der ehemals defizitären Staatsbetrieben sind zwar inzwischen wettbewerbsfähige Unternehmen geworden, die auch auf dem Weltmarkt mithalten können. Doch die Rationalisierung geht weiter. Der Preis für die Konkurrenzfähigkeit ist ein massiver Abbau der Arbeitsplätze. 1980 beschäftigte die Stahlindustrie in den 15 Ländern der EU noch 900.000 Leute, 1997 waren es gerade noch 300.000. Bis zum Jahr 2000 werden noch einmal 20 bis 30 Prozent wegfallen.