ZWISCHEN DEN RILLEN: Mut zum Experiment
Islaja: „S U U“ (Monika Enterprise/Morrmusic/Indigo)
Wenn ein Album in einem Musikmagazin lediglich mit einer Kurzrezension in knappen Sätzen abgespeist wird, kann das mehr Aufmerksamkeit wecken als so manches, auf Hochglanz poliertes Titelthema. Wie jüngst geschehen mit „S U U“ von Islaja, erschienen auf dem kleinen Label Monika Enterprise der Berlinerin Gudrun Gut.
Einsortiert als „Elektro-Pop“, zusammenfassend kommentiert mit: „Klingt nach Klischee“ –das macht stutzig. Klingt Pop nicht immer auch nach Klischee? Ist es nicht sogar Aufgabe von Pop, Klischees zu bedienen und Erwartungen zu erfüllen? Als Teil seines definitorischen Kerns? Und sollten Autoren eines Musikmagazins das nicht wissen?
Machen wir uns also auf die Suche nach jenen Klischees und lauschen „S U U“, dem fünften Album der in Berlin lebenden finnischen Musikerin Merja Kokkonen. Es braucht nicht allzu viel, um Spaß an den elf Stücken zu haben und Islajas Konzept zu erkennen: Das Album ist gleichermaßen Hommage wie komödiantische Spiegelung der Achtziger. Schon die ersten beiden Titel, „Skeleton Walk“ und „See No Sun“ lassen mit überzeichnenden Elementen wie reduzierten Synthesizern, dem Einsatz von Vocoder und beinah albernen Verspieltheiten keinen Zweifel daran, dass Humor absolut erlaubt ist.
Der Coolnessfaktor von Kokkonens Songs geht dabei in keinem Moment verloren – dafür singt Islaja viel zu gut, und auch die vermeintlich banalen Synthie-Hooks wirken gekonnt. Und ja, das zunächst noch vermutete „gekonnt“ bestätigt sich mehr und mehr: Ausgefallene Sounds und druckvolle Dramaturgie prägen Tracks wie „Chaos Pilot“ oder „Lay By My Side“ und finden stets ein gutes Maß im Austausch mit der Stimme.
Als herausragend sollte „Chaos Pilot“ empfohlen werden: Ernsthafte Stimmung und kraftvolle Rhythmik in Verbindung mit Islajas natürlichem, nicht verfremdetem Gesang verleihen dem Stück etwas Besonderes und erinnern in Verbindung mit den vielen Soundsplittern an Avantgardepop.
„Temporary Haven“, eines von zwei instrumentalen Stücken, baut auf wohlige Synthesizer-Pads und Akkorde – harmonische Klangwatte, die sich im Verlauf des Stückes leicht steigert und variiert.
Doch sind es die Ecken und Kanten, die „S U U“ dominieren: Die Stimme wird gerne mal verzerrt oder gepitcht, Sounds werden bis an die Grenze des Schönen moduliert, Songstrukturen aufgelöst; immer dringen auch roh-industrielle bis rave-technoide Klänge oder stampfende Beats durch. Insgesamt wirken Instrumentation und Arrangement angenehm reduziert, „Siren Call“ ist mit seinen melodischen Läufen auf Synthesizer und Klavier und einer klassisch nachvollziehbaren Songstruktur noch das klangdichteste, griffigste Stück des Albums – okay, nennen wir es Pop.
Doch insgesamt greift dieses Etikett zu kurz. Dafür ist die Musik von Islaja zu eigen, zu humorvoll, zu spielerisch im Umgang mit Elementen und Attitüden von New Wave oder Synthiepop. Denn gleichzeitig ist die Musik von Islaja im Hier und Jetzt verankert. Wie in „Shit Hit The Fan“, denkt man sich den Gesang einmal weg, bleibt eine Minimal-Nummer, die im Set eines Warm-up-DJs vorstellbar ist. Ähnliches gilt für den gediegenen Groove in „Dust From Heaven“, auch so ein herausragendes Stück. Vielmehr appelliert „S U U“ von Islaja mit offen dargelegter Spiel- und Experimentierfreude, mit schrägen Momenten und unerwarteten Klängen an guten, sauberen Spaß. Islaja beweist Mut zum Experiment – und mag damit alles mögliche bedienen, nur bestimmt keine Klischees der Sparte Elektro-Pop. SONIA GÜTTLER
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